Richie Rainbow

Kleinzschocher in Leipzig fällt leider öfter durch rechte Provokationen, Übergriffe und Stickerkleberein auf. Ich suchte also Kontakt mit Aktiven aus dem Leipziger Stadtviertel und Richie schrieb mir, dass er Interesse hätte, bei dem Projekt dabei zu sein. Als wir uns trafen, bekam ich eine kleine Stadtteilführung. Noch im Jahr 2020 soll ein toller Vereinsladen entstehen. Warum dieser dringend nötig ist und was Richie bisher alles in Kleinzschocher widerfahren ist, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

In Zschocher!! Meine bzw. unsere Arbeit bezieht sich direkt aufs Viertel und die hier leider herrschenden Verhältnisse. Gemeint sind dabei Klein- und Großzschocher, aber in solchen Kategorien denken wir nicht ;). Zschocher ist für viele Leipziger ein unbekannter Stadtteil, da es wenig gibt, für das sich eine Reise lohnt. Wer hier nicht wohnt oder in den wenigen Geschäften arbeitet, fährt max. durch, daher konnten sich rechte Strukturen lange unbehelligt austoben.Wir nehmen in öffentlichen Aktionen gern Bezug auf die antifaschistische Geschichte des Leipziger Südwestens. Um so trauriger die aktuelle Situation in dieser Gegend…

Unter anderem bin ich aktives Mitglied im „Lixer e.V.“ Der Name hört sich erstmal komisch an, bezieht sich aber auf eine historische Person hier aus Zschocher (Lixer war der Spitzname von Karl Hauke der lange im Viertel gelebt hat und als Jugendlicher zur NS Zeit in Kleinzschocher mit Zwangsarbeiter*innen und sowjetischen Kriegsgefangenen die Widerstandsgruppe „Internationales Antifaschistisches Komitee“aufgebaut hat). Wir versuchen unser Viertel mit Kunst und Kultur zu beleben, in dem wir öffentliche Veranstaltungen, wie Konzerte aber auch Workshops und Vorträge in die Tat umsetzen. Zur Zeit bauen wir im Moment einen Stadtteilladen aus, der als niedrigschwelliger Treffpunkt für (fast!) alle dienen soll. So versuchen wir uns gegen rechte Raumnahme zur Wehr zu setzen und Alternativen zu, im Park mit alteingesessenen Faschos saufen, zu bieten.
Generationsübergreifend, international, unkommerziell. Von Krabbelgruppen über politische Diskussionen bis zu Häkelnachmittagen ist alles möglich. Des Weiteren bieten wir bereits eine Bürokratiesprechstunde an und organisieren eine Jugendredaktion.

Wichtig ist allerdings auch selber ständig aktiv zu sein gegen Propaganda und deren Akteure im öffentlichen Raum!
Aufmerksamkeit zu schaffen und neue Helfer*innen zu finden.

Was sind deine Aufgaben?

Der Ausbau des Ladens, welcher hoffentlich im Herbst eröffnen kann, frisst im Moment die meisten Lixer- Kapazitäten. Ich versuche mich auch an der Vereinsbuchhaltung, zum Leidwesen der anderen Buchhalter*innen. Das Mitveranstalten von „Zschocher Calling“ (eine öffentliche Konzertreihe im Martinspark, umsonst und draußen für Jedermensch) macht mir wohl am meisten Spaß. Hier spürt Mensch, dass etwas geschaffen wird, woran sich alle erfreuen können, statt gegen etwas zu arbeiten!

Wir dokumentieren zudem alle menschenverachtenden Aufkleber, Graffiti etc. in der Hood und entfernen diese ggf. auch. Die Broschüre „Zschochersche Verhältnisse“ war erschreckend schnell prall gefüllt. So möchten wir Aufmerksamkeit für diese Art der Propaganda schaffen, da viele Dinge schlicht nicht wahrgenommen oder schlimmer ignoriert werden! Wir melden auch rechte Übergriffe (hier leider gar nicht so selten) und versuchen Betroffene zu unterstützen. Support bekommen wir von lieben Nachbar*innen, die sich diesem Problem ebenfalls stellen wollen, doch das war ein langer Weg.

Wofür kämpfst du?

Scheinbar für eine Utopie. In erster Linie natürlich gegen Rassismus, Faschismus und Nationalismus.  Aber auch gegen Sexismus, Homophobie, Ableismus und Unterdrückung jeglicher Art. Auch wenn das heißt, sich ständig selbst zu hinterfragen und den eigenen Dämonen stellen zu müssen, denn niemand ist gänzlich frei davon! Aber nur so können wir wachsen und lernen. Eine Welt ohne diese Formen der Unterdrückung wäre doch traumhaft.

Wenn sich das Ganze dann noch in einer anarchistischen, weil selbstverwalteten, basisdemokratischen, solidarischen und gerechten Gesellschaft abspielen würde, die obendrein ohne Geld auskommt, weil sie wieder gelernt hat im Einklang mir der Natur zu Leben und die vorhanden Ressourcen nachhaltig zu nutzen, wären wir am Ziel. Nichts ist unmöglich, doch manchmal fällt es schwer daran zu glauben das wir es irgendwann gemeinsam schaffen können! Der Kampf geht weiter!!

Wichtig ist mir auch der Kampf gegen das Spukgespenst „Antifa“ welches gern konstruiert wird. Antifa heißt nicht allein schwarzer Block! Heißt nicht linke Gewalt! Jede/r, die/der sich gegen Faschismus engagiert ist Teil der Antifa, ob im Parlamenten, Vereinen oder sonst wo. Jede/r, die/der zur ganz natürlichen antifaschistischen Meinung steht, auf der Arbeit  „auf der Straße, in der S-Bahn,  in der Kneipe und im Netz„(WIZO) ist Antifaschist*in!

Wir alle sind Antifa!!!

Wann hat dein Kampf begonnen?

Schwierig festzulegen. Ich bin bereits mit 15 Jahren auf meine ersten Demos gegen rechte Aufmärsche hier in Leipzig gereist und habe begonnen mich politisch zu bilden (was wohl nie endet). Habe in Leipzig lange in linken Kiezen gewohnt, in denen es reicht Buttons zu tragen, um sich aktiv zu fühlen und hatte mich auch eine Zeit lang vom aktiven Geschehen zurück gezogen.  Als Pegida gegründet wurde, war Mensch sich einig dagegen auf die Straße zu gehen. Als dann sogar Legida marschieren durfte, war mir klar, dass Lichterketten und Demos nicht reichen werden, wenn der Rechtsruck die gesellschaftliche Mitte erreicht hat.

NOCH stärker engagiere mich seit ich vor 3 Jahren nach Zschocher zog und feststellen musste, das der Kampf hier in den letzten Jahren kaum stattfinden konnte. Der Kampf beginnt vor der eigenen Haustür!

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

In all den Jahren gab es immer wieder Anfeindungen oder gar verbale/körperliche Auseinandersetzungen. Am prägendsten war jedoch ein Vorfall, kurz nach dem Umzug nach Zschocher. Personen des rechten Spektrums versuchten uns als Familie inkl. kleinen Kindern zu überfahren! Bei der anschließenden Schlägerei, zu der sich in gefühlt Sekunden weitere, eigentliche Unbeteiligte, mit den Insassen solidarisierten (da ebenfalls rechts), machten diese auch vorm Kinderwagen nicht halt, während niemand es für nötig hielt uns zu Hilfe zu kommen.

Dieser Vorfall machte uns mehr als deutlich welche politische Meinung hier vorherrscht und welcher Umgangston gern angeschlagen wird. Nach verständlichen Überlegungen schnellst wieder wegzuziehen, war die Augen vor den Zuständen verschließen,  jedoch keine Option! Davor zu fliehen hilft Zschocher auch nicht weiter. Also haben wir den ‚Zschocherschen Verhältnissen‘ den Kampf angesagt!

Zum Glück hatten wir liebe Nachbar*innen, die uns aufgebaut haben und bis heute unterstützen (Danke :*).

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Ich möchte, dass Rechtspopulismus wieder geächtet ist! Lange traute Mensch sich eine solche Meinung, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand im äußert privaten Kreis zu äußern, niemals öffentlich. Nun sitzen Rechtspopulisten in den meisten Parlamenten. Rechts ist in der Mitte angekommen, ist salonfähig geworden. Diese Entwicklung würde ich gern umkehren! Mensch könnte nun argumentieren, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei. Das stimmt auch! Wenn eine Meinung jedoch nur darauf abzielt andere Meinungen (und die Menschen die sie äußern) zu unterdrücken, wird eine Grenze überschritten, die ich nicht tolerieren kann…

Ich möchte, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen, um Menschen aus aller Welt zu helfen, aus welchen Gründen auch immer sie unsere Hilfen benötigen. Hier ist jede/r Einzelne gefragt, genauso wie Staat und Staatsgewalt, denn die sind ebenfalls oft auf dem rechten Auge blind. Auch das muss sich endlich ändern!

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Alle Menschen, die sich für eine gerechtere, offenere Gesellschaft einsetzen/eingesetzt haben, ohne sich dabei von Repressionen, Verfolgung oder der Staatsgewalt einschüchtern zu lassen. Allen voran die Widerständler*innen in der Zeit des Nationalsozialismus, wie z. B. Lixer. Menschen haben teilweise ihr Leben gelassen, um für uns alle eine bessere Zukunft zu schaffen. Das dürfen wir nie vergessen!

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Auf dem Plattenteller liegt derzeit „Bloody Paranioa Pt.II“
„Schwarz Rot Braun“ von Bad Taste Paranioa (eine Coverversion von Ben Bloodygrave) ist aktuell mein Favorit, zieht es euch rein und überlegt.
Habe ich genug getan? Früh genug?

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Im Moment könnten wir als „Lixer e.V.“ das Geld für den Ladenausbau gut gebrauchen, aber das widerspricht der Theorie. Die Rote Hilfe hat definitiv Unterstützung verdient, genau wie die vielen ländlichen Initiativen gegen Rechts wie SAfT in Taucha oder colorido e.V. in Plauen und und und… die tagtäglich konkreten Anfeindungen ausgesetzt sind. Ein Teil  sollte auch an Umweltschutzhilfen gehen..

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Kleinzschocher, Leipzig

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