Gisela Röpcke

80 Mal Herzkampf, 80 Mal sich mit Leuten treffen, die probieren etwas Sinnvolles zu bewirken. Manchmal dauert das Treffen zwei Stunden, manchmal nur zehn Minuten. Es ist heftig, was ich durch diese 80 Begegnungen gelernt habe. Meine 80. Herzkämpferin ist Gisela. Sie engagiert sich bei „Kleinzschocher wird bunt“ – einer Bürgerinitiative, die sich gegen rechtsradikale und antisemitische Umtriebe in Klein- und Großzschocher einsetzt. Gisela hat ein bewegtes Leben, ist sehr aktiv in vielen Bereichen. Aber lest mal selbst: 

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?


Ich bin in der Initiative „Kleinzschocher“, in der Initiative „Kleinzschocher wird bunt“, im Theaterladen, im „Bündnis gegen Depression“, in einer Selbsthilfegruppe, Zeichenkursen und in einer Singegruppe aktiv.

Am Herzen liegt mir die Initiative „Kleinzschocher wird bunt“. Es ist eine Initiative, die sich für Bürger einsetzt, die vor rechten Gruppen Angst haben und die auf rechte Strukturen in unseren Viertel aufmerksam macht. Sie besteht seit Herbst 2016. Unser erstes Treffen fand im Zeignerhaus statt, wo wir viel Unterstützung erhielten. Wir sind eine sehr kleine Gruppe. Am 18. Dezember 2016 fand unser erstes Interkulturelles Fest statt; mit einem Stadtrundgang für Lager von Zwangsarbeitern, einem syrischen Vortrag über die Lage in Syrien im Vergleich zu den DDR-Strukturen, zwei kleinen Konzerten am Martins Platz und einem Bürgercafe, bei dem über Sicherheit, Kultur, Radverkehr und alles was zu Kleinzschocher gehört, gesprochen wurde. Und auch die Vernetzung zu anderen Vereinen wächst. Dazu zählen die „SAfT in Taucha, die Bürgerinitative Kleinzschocher (Kultur, Bürgerinteressen, Frühjahrsputz), der Wagenplatz in Großzschocher und Vereine in Plagwitz.

Was sind deine Aufgaben?

Meine Aufgabe in der Bürgerinitiative sehe ich, wie eine Spinne, die ihre Fäden spannt: Menschen durch mündliches Weitersagen auf unsere Initiative aufmerksam machen. Seit unserer Gründung bin ich bei den 14-tägigen Treffen dabei. Nur einmal habe ich gefehlt. Bei den Treffen halte ich mich aber mehr im Hintergrund, da ich ein sehr spontaner Mensch bin und von den jungen Menschen so viel lernen konnte. Traurig bin ich, dass viele ältere Leipziger sich nicht dafür einsetzen. Meine Beobachtung ist aber, dass viele zugezogene Menschen an den Treffen teilnehmen. Darüber freue ich mich sehr.

Wofür kämpfst du?

Kampf hat für mich immer mit Recht zu tun. Recht hat auch mit Grenzen zu tun. Ich will nicht kämpfen. Doch ich habe einen Traum für eine gewaltfreie zukünftige gemeinsame Welt mit einem friedlichen, respektvollen Umgang miteinander in Freude.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Vor 6 Jahren, als mein Mann verstorben ist und ich die Entscheidung treffen musste, dass er nicht mehr hier sein wird. Wann begann mein Interesse für die Initiative „Kleinzschocher wird bunt“? Als Fragen und Meinungen in der Familie und unter Freunden ihren rechten Raum fanden. Mein Schwager ist Bürgermeister meines Heimatortes und bekam eine Flasche Bier mit einem Hitlerbild darauf geschenkt und ein Freund sagte dazu: „Die Schienen müssen her!“

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Das war zwei Tage vor unserem ersten Fest im Dezember 2016. Weil ich das falsche Öl verwendete, um Bratkartoffeln zu erwärmen, bekam ich einen Tritt ins Gesicht. In dieser Nacht habe ich 150 Karten geschrieben, was ich mir für unsere Erde wünsche. Einen Tag später fand unser Fest bei strömendem Regen statt. Ich habe mich um die Kinderbetreuung gekümmert. Unsere afrikanischen Gäste hatten ihre Instrumente mit und sangen am Feuer „Bruder Jakob“ und ein Kind hat einen Sarg für ihre Puppe gemalt. Es waren ältere Menschen mit Kindern da und der Spätverkaufsbesitzer. Er hatte seinen Laden geschlossen. Da die Veranstaltung öffentlich war, wussten wir nicht, ob es friedlich bleiben wird. Zwei Tage später ist mein Kiefer gebrochen. Anderthalb Jahre später die Gerichtsversammlung, bei der es nur zu einer Bestrafung wegen Verleumdung kam. Mein Anwalt hat mich nicht einmal auf das Gericht begleitet, weil es ihm zu gering war und die Staatsanwältin schminkte sich in der Pause die Lippen. Auf das Zivilgericht habe ich verzichtet. Dieser Freund durfte meine Wohnung danach nie wieder betreten und ich bin froh, die Anzeige gemacht zu haben.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Corona zwingt alle zum Stillstand. Alle Träume, Ziele, Kämpfe haben Ruhepause. Ich möchte mich nicht verändern. In den letzten 6 Jahren ist so viel passiert und was ich mir gewünscht habe, ist eingetroffen. Meine Berufung als Traumbegleiter hat schon das Clown-Museum, Atelier 1, Cafe Ella und jetzt den Lixerverein und „Kleinzschocher wird bunt“ begleitet.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Wo soll ich da anfangen in meinen Alter? Danke sage ich meinen Eltern, die schwere Entscheidungen für mich treffen mussten. Ich danke meinem Klassenlehrer und seiner Frau, meiner Erzieherin Frau Linke. Ich danke den Freundinnen, die in meinen schweren Zeiten immer für mich da waren; meinen Männern und meinem Kind, die mich zu dem gemacht haben, was ich jetzt bin; meinem Zeichenlehrer, Stephan König und dem Lixerverein.

Ich bewundere Irene K. mit ihrem Kampf in der SPD. Martin Dulig und Angela Merkel, die jetzt Entscheidungen für ein ganzes Land treffen und Europa. Mit ihr hat mein verstorbener Mann vier Jahre Physik studiert. Und ich durfte ihren ersten Mann kennenlernen. Vielleicht treffe ich sie mal. Meine vier Zeichenlehrer. Herr Burkhard, Michael, Konrad. Anja und Inga vom Theaterladen. Ich bewundere die Menschen, die ehrlich sind. Auch wenn ihre Meinung nicht meine Meinung ist. Von Kindern lerne ich am meisten. Ich bewundere Barba Röhner und ihren Mann. Sie haben die alte Handelsschule gekauft und die Kunst nach Kleinzschocher geholt. Hier hat meine Tochter Abitur gemacht und es ist die einzige Schule, die es von ihren Schulen überlebt hat. Danke Martin für den Herzkampf.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

A ibache, Halleluja und Wie schön du bist

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Ich brauche im Moment kein Geldgeschenk und wenn ich etwas muss, kommt es nicht aus meinen Herzen. Ich denke, dass ich dieses Geschenk nicht annehmen würde. Was ich mit Freude verschenke ist mein Vertrauen für mein Gegenüber, ihm zuzuhören, warum es so ist, wie es ist, um Dinge zu verstehen, die anders sind, als ich es mir wünsche. Meine Tochter hat mich gefragt, ob Geld für mich wichtig war. Es war es nie. Trotzdem war immer genügend für uns da, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Die Krise zeigt mir, wie wenig ich brauche.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Kleinzschocher, Leipzig

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