Andreas Dohrn

Ein Pfarrer möchte bei „herzkampf“ mit dabei sein? Ok, damit hätte ich nicht gerechnet. So oder so ähnlich muss ich gedacht haben, als die E-Mail von Andreas in meinem Postfach landete. Ein schönes Gefühl. Da kennt jemand also schon das Projekt, das es gerade Mal seit ein paar Wochen gibt. Da freut man sich schon ein wenig. Von Andreas gibt es eine Menge, das man sich anschauen kann und das nicht nur in seiner Funktion als Pfarrer. Aber lest selbst…

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Thematisch bin ich im Bereich „Wohnen für Geflüchtete“ und „Genossenschaftliches Wohnen“ aktiv. Der Einzug einer syrisch-muslimischen Familie in das Pfarrhaus der Peterskirche sowie die zusammen mit dem „Initiativkreis:  Menschen.Würdig“ entwickelte „Kontaktstelle Wohnen“ sind in Sachsen und bundesweit wirksam geworden. In der Stadt Leipzig und im Landkreis Leipzig sind inzwischen 700 Geflüchtete mit unserer Unterstützung in dezentrales, selbstbestimmtes Wohnen umgezogen.

Günstige Mietwohnungen zu erhalten, Häuser genossenschaftlich zu erwerben und dadurch der Mietspekulation /Gentrifizierung zu entziehen & selbst verwaltetes Wohnen zu ermöglichen & wohnungspolitische Alternativen zu entwickeln: Das sind die Ziele der neuen Wohnungsgenossenschaft „Sowo Leipzig eG„. Zwischen März 2017 und August 2018 sind wir mehr als 120 Genossenschaftsmitglieder geworden. Im Jahr 2018 wurde das grosse Eckhaus in der Georg-Schwarz-Strasse 1/Merseburgerstrasse 94 sowie das vierstöckige Wohnhaus in der Merseburgerstrasse 38c von der „Sowo Leipzig eG“ erworben.

Was sind deine Aufgaben?

In der „Kontaktstelle Wohnen“ bin ich im Vorstand des Trägervereins „Zusammen e.V“ und in der „Sowo Leipzig eG“ als Aufsichtsrat aktiv.  In der „Kontaktstelle Wohnen“ liegt der Schwerpunkt bei strategischen Fragen und Organisationsentwicklung. In der „Sowo Leipzig eG“ sind die Verzahnung von Aufsichtsrat und Vorstand der Genossenschaft, Online-Recherche und Gruppenprozesse besonders wichtig.

Wofür kämpfst du?

Für einen Pfarrer wahrscheinlich nicht so überraschend: Ich kämpfe für ausgegrenzte Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt anfänglich nicht auf Augenhöhe sind. Ich kämpfe dafür, dass in Leipzig alle Menschen innerhalb von sechs Monaten aus Wohnungsnot in gutes Wohnen umziehen. Ich kämpfe dafür, dass die Ausgegrenzten in Wohnungsnot alle in den Blick kommen: Geflüchtete, Obdach-/Wohnungslose, Migrant*innen, Personen/Bedarfsgemeinschaften in Grundsicherung, Alleinerziehende, Schwangere, Gebrechlich/Gehandicapte, Arbeiter*innen-Haushalte, Überschuldete und Räumungsbeklagte.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Im Januar 2015. Da hat der Kirchenvorstand der Peterskirche zwischen den beiden großen Anti-Legida-Montags-Demos entschieden, eine Wohnung des Peters-Pfarrhauses an eine Flüchtlingsfamilie zu vermieten. Im Juli 2015 ist Familie Mohammad in das Pfarrhaus eingezogen. Wir haben nicht nur diesen Kampf gewonnen. Die Analyse der Widerstände, die wir dazu überwinden mussten, war einer der Ausgangspunkte für die „Kontaktstelle Wohnen“.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Im Januar 2016 bin ich mit einer obdachlosen, fünfköpfigen, syrischen Familie zwei Tage in den verschiedensten Leipziger Institutionen (Sozialamt, Ausländerbehörde, Wohnungsnotfallhilfen, Jobcenter …) unterwegs gewesen. Beeindruckt haben mich mehrere Mitarbeiter*innen durch ihren Pragmatismus und ihre Handlungsschnelligkeit. Entsetzt haben mich Mitarbeiter*innen, die nicht nur strukturell überfordert oder in der Nähe eines Burnouts zu sein schienen, sondern auch Personen, wo Jesus dann schon mal einen Schreibtisch umgeschmissen hätte…

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Wir brauchen die analytische Klarheit, dass wir neben „Bildung“ vor allem „Wohnungspolitik“  als zentrale gesellschaftliche Herausforderung für soziales Zusammenleben in Leipzig verstehen. Wir brauchen den Fokus, auf die 10.000 Umzüge im Jahr, die notwendig sind, damit gutes Wohnen für alle Bürger*innen in Leipzig sofortissimo klappt. Für 12 Monate gemeinschaftlich Wohnung anzumieten und unterzuvermieten, damit Ausgegrenzte in Wohnungsnot in diese Mietverträge einsteigen: Das erscheint mir der zentrale Schlüssel.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

In Indien hat mich Stan Thekaekara schwer beeindruckt, der im südindischen Gudalur mit 20.000 Ureinwohner*innen das Kunststück hinbekommt, dass mittels Analysen + politischer Gemeinschafts-Aktionen aus ausgegrenzten aktive Bürger*innen der indischen Gesellschaft werden.  In Leipzig finde ich fabelhaft, was Angelika Kell („Stiftung Bürger für Leipzig„)
und Thorsten Mehnert („Stiftung Ecken wecken„) zivil-gesellschaftlich bewirken…   
Was ist derzeit dein Lieblingslied?
Herbert Grönemeyer: „Zeit, dass sich was dreht“
(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Herbert Grönemeyer: „Zeit, dass sich was dreht“
(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Diese Frage ist eine Herausforderung: Die 5.000 € würde ich in einen neuen Geldtopf stecken: Als Startschuss für einen Leipziger Housing-first-Fonds, wo wir mit dem anmieten von Wohnungen beginnen.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Georg-Schwarz-Straße, Leipzig

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