Karimé Diallo 

Was können wir am strukturellen Rassismus ändern? Wie schaffen wir es, Vorurteile abzubauen? Dafür bedarf es Aufklärung von allen Seiten, Karimé setzt sich damit seit Jahren auseinander und probiert mit ihrem Aktivismus wachzurütteln. Ich traf sie in Dresden und wir wanderten durch die halbe Stadt und führten interessante Gespräche. Was sie bisher erlebt hat und wo sie sich überall engagiert, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Aktuell setze ich meinen Schwerpunkt auf Community-Building und Vernetzung mit anderen BIPoCs. Ich bin im Organisationsteam von Black Lives Matter Dresden sowie aktives Mitglied bei Dresden Postkolonial. Wir verstehen die Kolonialgeschichte nicht als abgeschlossene Periode, sondern sehen in postkolonialen Ansätzen eine Chance, nicht erzählte Geschichten zu erzählen, Widerstandsperspektiven aufzuzeigen und auf heutige globale Machtungleichgewichte aufmerksam zu machen.

Außerdem bin ich Mitbegründerin von inter*kollektiv, ein Bündnis und eine Online-Plattform mit transnationalem und intersektionalem Anspruch, in dem sich politische, gesellschaftliche, anti-rassistische, queer-feministische und dekoloniale Forderungen treffen. Seit meiner Kindheit bin ich außerdem in dem von meinen Eltern gegründeten Verein EuroGuinée e.V. engagiert, eine migrantisch-diasporische NGO, die Bildungs-, Recycling- und Gesundheitsprojekte in Westafrika verwirklicht.

Meinen Aktivismus versuche ich auch politisch einzubringen und bin deshalb seit etwa einem Jahr in die SPD eingetreten.

Was sind deine Aufgaben?

Ich habe verschiedene Aufgaben, je nachdem was gerade anliegt. Bei Dresden Postkolonial bin ich z.B. stark in der Öffentlichkeitsarbeit eingebunden und plane Aktionen mit. Ich gebe Workshops oder moderiere Veranstaltungen oder Demonstrationen und halte Redebeiträge (BLM). Bei inter*kollektiv sind wir noch im Aufbau, deshalb sind wir dort noch stark mit unserem Selbstverständnis und der Websiten-Einrichtung beschäftigt. Für inter*kollektiv sowie EuroGuinée e.V. unterstütze ich außerdem bei der Formulierung von Projektanträgen.

Wofür kämpfst du?

Ich kämpfe für eine gesellschaftliche Transformation, die bestehende diskriminierende Normen, Paradigmen, Mainstream-Vorstellungen, Konzepte sowie Wissen und Institutionen herausfordert.

Um die Sichtbarkeit der aktiven Arbeit gegen Diskriminierung zu steigern und transnationale Solidarität zu erreichen, müssen verschiedene Kämpfe anerkannt werden und Kräfte global gebündelt werden. Ich setze mich für Intersektionale Gerechtigkeit ein und will zur stärkeren Vernetzung und Gemeinschaftsbildung rassismuskritisch, dekolonial und queerfeministisch arbeitender Einzelpersonen, Gruppen und Kollektiven beitragen.

Als Beispiel: Politisch liegt derzeit ein großes Augenmerk auf der Rechtsextremismusbekämpfung.  Das ist natürlich extrem wichtig – NSU, Hanau, Halle und Kassel sind genügend Beispiele, die uns das rechtsterroristische Gewaltpotential vor Augen führen.

Für Initiativen „Gegen rechts“ stehen enorme Summen an staatlicher Förderung und Finanzierung bereit. Während den Protesten rund um Black Lives Matter hätte ich mir mehr Solidarität und Unterstützung von diesen Initiativen gewünscht. Ein großes Problem ist, dass Rechtsextremismus und Rassismus immer als zwei voneinander getrennte Phänomene behandelt werden. Jedoch ist gesamtgesellschaftlicher struktureller Rassismus die Grundlage und Ursache für jede spätere Radikalisierung.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Der Kampf gegen Rassismus, Sexismus und andere Unterdrückungsformen lässt sich für Betroffene nicht auf einen zeitlichen Punkt festlegen. Du erlebst Diskriminierung und Unterdrückung tagtäglich und nimmst sie auch schon in deinen Kindheitstagen wahr. Bloß weil politischer Aktivismus nicht immer nach außen getragen wird und von einer weiß-heteronormativen Gesellschaft gesehen wird, heißt es nicht, dass er nicht da ist. Politischer Aktivismus heißt für Betroffene Überleben – mental und physisch. Sich in der von Rassismus und Sexismus durchzogenen Welt nicht selbst zu verlieren, seinen Platz in dieser Gesellschaft zu finden und sich selbst zu akzeptieren und lieben, ist bereits politischer Widerstand.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Es ist schwer, dass auf ein spezielles Ereignis herunterzubrechen. Es ist vielmehr die Fülle von alltagsrassistischen Erfahrungen, die ich als Schwarze Frau in Deutschland in meinen 28 Jahren erlebt habe. Die ständigen Mikroaggressionen, denen man ausgesetzt ist, formen sich irgendwann zu einem sehr umfassenden Bild über die Dimension, die Rassismus in Deutschland hat. Und dies ist nicht erst ein Phänomen seit gestern, sondern war schon immer da. Es ist nur noch akzeptierter geworden, damit nun auch öffentlich aufzutreten.

Ein Erlebnis, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, ereignete sich 2016, als ich Montagabend aus der Straßenbahn steigen musste, da die Straße wegen einer Pegida-Demo gesperrt war.  Plötzlich sah ich mich einer Wand von Deutschlandfahnen und Reichsflaggen und einer Masse an Hass auf mich zukommen. Dass ich mich komplett allein und schutzlos in dieser Situation gefühlt habe und demgegenüber diesen Menschen so viel Raum inmitten der Dresdener Innenstadt eingeräumt wurde, veranschaulichte mir, dass etwas in diesem Land grundsätzlich falsch läuft.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Im Bundestag wurde ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität mit einem Maßnahmenkatalog beschlossen, in denen explizit Ehrenamtliche, Kommunalpolitiker*innen oder Personal medizinischer Dienst gegen Hasskriminalität geschützt werden soll. Natürlich ist das wichtig, jedoch wird hier hierarchisiert. Im Endeffekt bedeutet das: Es sollen weiße Menschen geschützt werden, die sich gegen rechts positionieren oder in der Geflüchteten-Arbeit aktiv sind. Nicht aber jene Menschen, die primär von Rassismus und Hasskriminalität betroffen sind. Das kann nicht sein.

Ich erhoffe mir, dass wir größere politische Repräsentation erreichen, indem verstärkt BIPoCs und Frauen* in politische Ämter gewählt werden und so solche gut gemeinten, aber schlecht gemachten Gesetze beeinflussen können. Solange marginalisierte Gruppen und deren Selbstorganisationen kein politisches Gewicht in Parlamenten haben, wird sich an unserer Situation nur punktuell, aber nicht strukturell, etwas ändern.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Bank on it von Burna Boy
(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Gerade gibt es viele BIPoCs und FLINTs, auch in meinem persönlichen Umfeld, die aufgrund der Corona-Situation ihre (Neben-)Jobs verloren haben und strugglen. Deshalb gibt es schon viele Crowdfunding und Solidaritätsaufrufe, Menschen aus der Community, die gerade in einer schwierigen Lage sind zu unterstützen. Durch die unzureichende Unterstützung für Nicht-Bafög-Bezieher*innen durch den Staat, sind gerade viele Studierende in einer misslichen Lage. Ich würde deshalb versuchen, das Geld in meinem größeren Bekanntenkreis an BIPoCs zu verteilen, von denen ich weiß, dass sie gerade wirklich Schwierigkeiten haben ihre Lebenshaltungskosten zu finanzieren.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Neustadt, Dresden

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