Doritta Korte

Es muss weitergehen, sagte ich mir. Dann setzte ich mich in mein Auto und fuhr nach Plauen. Dort traf ich die wundervolle Doritta. Doritta engagiert sich seit 2014 in Plauen für eine bunte und offene Gesellschaft. Seit März besitzt der colorido e.V. eigene Geschäftsräume. Dort trafen wir uns mit genügend Abstand auf ein Glas Wasser. Durch Corona wird der Verein hart getroffen, weil viele geplante Veranstaltungen erst mal auf Eis gelegt wurden. Warum es sich dennoch lohnt weiter zu kämpfen, beschreibt Doritta in ihrem Interview, aber lest selbst:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?


Ich bin Vorstandsvorsitzende von colorido e. V. Plauen, einem Verein, der 2017 gegründet wurde. Wir sind ein Zusammenschluss von Personen der Zivilgesellschaft aus dem Vogtlandkreis, die bisher in verschiedenen Projekten bzw. in Bündnissen agierten und nun einen eigenen Verein gegründet haben.

Die politische und geschichtliche Bildungsarbeit ist mir sehr wichtig und ein großes Anliegen des Vereins. Mein/unser Ansinnen ist es, für Verständigung und Toleranz der unterschiedlichen Kulturen zu werben. Ich engagiere mich gegen rechte Parteien, die in Plauen mit dem III. Weg einen besonderen subkulturellen Habitus bilden.

Mit vielen präventiven Ideen, die mir im Moment auch nicht ausgehen, trete ich gemeinsam mit den Mitstreitern von colorido an gegen Rechtspopulismus, menschenverachtendes Gedankengut und Diskriminierung.

„Das Leben ist eine Demonstration“ – diesen Satz haben mir Schüler*innen einer Abschlussklasse in die Festzeitung geschrieben. Besser kann man es nicht ausdrücken.

Am 06. März 2020 konnten wir unsere eigenen Büro- und Veranstaltungsräume mit vielen Gleichgesinnten aus der Zivilgesellschaft einweihen. Unser Jahresplan enthielt so viele tolle Veranstaltungen und wir haben uns über prominente Unterstützung durch Jana Pareigis und Mo Asumang gefreut. Leider sind wir im Moment nach dem tollen Start ausgebremst, aber es kommt sicher eine Zeit nach der Krise, darauf konzentrieren wir uns.

Wir hoffen, dass wir unbeschadet aus der Krise kommen und mit Finanzierung und Spenden unsere Räume halten können.

Was sind deine Aufgaben?

Im Moment liegt meine Hauptaufgabe darin, dass wir mit anderen Akteuren im Gespräch bleiben. Ich beschäftige mich mit dem Schriftverkehr innerhalb unserer Netzwerke und fasse Eindrücke und Ergebnisse für den colorido-Vorstand zusammen. Wir bereiten auch gerade ein Webinar über den III. Weg vor. Das geschieht alles im Homeoffice. Einmal die Woche bin ich in unseren Räumen anwesend. Wir nutzen unsere große Schaufensterfläche für politische Statements.

Leider mussten wir unsere Veranstaltungen im Monat Mai 2020 absagen. Ich hatte mich so auf unser Großprojekt am 1. Mai – Don´t be silent – Plauen ist bunt – Plauen ist colorido – gefreut. Mit „Apfeltraum“ und „Seau Volant“ hatten wir richtig gute Zugpferde am Start, um ein tolles Friedens- und Musikfestival durchführen zu können. Im Vorjahr war uns das mit „Zöllner 5“, „Banda Internationale“ und jungen Plauener Bands super gelungen. Nun setzen wir auf nächstes Jahr und nutzen diesmal unsere Schaufenster und Statements im Netz.

Am 10. Mai wollten wir zum dritten Mal auf dem zentralen Postplatz die Liste der von der Bücherverbrennung 1933 betroffenen Autoren verlesen. Das ist auch immer einer unserer besonderen jährlichen Höhepunkte und wird diesmal medial stattfinden müssen.

Außerdem nutze ich die Krisen-Zeit um ein Theaterstück „Bis an die Grenzen“, welches sich mit der Zeit von 1989 und der Verwendung von „Wir sind das Volk“ in der heutigen Zeit befasst, gemeinsam mit Filmemachern in einen Film zu übertragen. Dieses Stück schrieben Schüler*innen meiner Theatergruppe teilweise selbst unter Anleitung von mir, einer weiteren Deutschlehrerin und einer Theaterpädagogin. Das Projekt kann größtenteils auch erst mal medial erfolgen.

Ich nutze die Zeit aber auch für die Beschaffung von Fördergeldern. Irgendwann muss es ja mal wieder weitergehen.

Wofür kämpfst du?

Für eine lebenswertere Welt, in der meine Kinder und Enkel LEBEN können.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Schwer zu sagen, während meiner Schulzeit in den 70er Jahren – ich trug stolz „Schwerter zu Pflugscharen“ auf meinem Parka –  , Ende der 80er Jahre aktiv gegen den Unrechtsstaat DDR. Dann kam eine längere Pause – Kinderkriegen, Familienleben, Arbeit… Später der Kampf um die Anerkennung der eigenen Biografie, ständige Weiterbildungen, mit 43 Jahren erneutes Direktstudium, da die DDR-Abschlüsse immerzu in Frage gestellt wurden. Dann 2003 wieder politisches Engagement, aber zunächst sehr konservativ. 2014 fand ein Täterspuren-Mahngang durch Plauen statt und ich erkannte für mich den Kampf, der sich nach meinem Dafürhalten lohnt.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Für mich das prägendste oder schlimmste Ereignis war die Situation, als die Polizei bei einer Gegendemonstration 2014 in Plauen eine Kirche stürmte und die Gegendemonstranten raustrieb, kesselte und erkennungsdienstlich behandelte. Das hatte es nicht mal zu DDR-Zeiten gegeben.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Oh, da gebe es so viel.

Ich würde mir wünschen, dass sich die Zivilgesellschaft stärker zeigt. Ich glaube, es gibt viele, die den rechten Ruck nicht wollen, sich aber auch bequem eingerichtet haben oder sich nicht trauen bzw. auch Repressalien fürchten.

Ich wünsche mir eine Änderung der Parteienpolitik. Wenn viele der so genannten etablierten Parteien mehr zusammenstehen würden, hätte die AfD keine Chance. Der Klimapolitik muss noch mehr Bedeutung gewidmet werden. Greta behält hoffentlich den Finger in der Wunde und überzeugt immer noch mehr Menschen. Ich würde die Menschen aus den Lagern auf Lesbos holen und ihnen wieder ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.

In meiner Stadt würde ich mir wünschen, dass die Stadträte und im Vogtlandkreis die Kreisräte gemeinsam mit den Verwaltungen engagierte Menschen gegen Rechts unterstützen und gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren überlegen was man gegen den rechten Habitus tun kann.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Frederik Willem de Klerk – seine Friedensnobelpreisträgerrede in der Dresdener Frauenkirche hat mich tief beeindruckt. Sein Motto „All different – all equal – Alle anders – alle gleich“ ist zum Leitgedanken für colorido geworden.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

„Halleluja“ gesungen von Walid Habash und begleitet von Ittai Rosenbaum am Klavier. Die beiden hatten wir im März 2020 wiederholt nach Plauen eingeladen und meine Vorfreude galt diesem Lied in mehreren Sprachen. Leider musste auch diese Veranstaltung wegen Corona ausfallen.

Beide hatten diesmal Angst vor Plauen und seiner rechten Außenwirkung. So sehr hatte sich ihr Bild von unserer Stadt innerhalb eines Jahres zum Negativen verändert. Wir hätten ihnen gerne andere Menschen gezeigt, die ihre Musik lieben und ihre Arbeit schätzen.

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Ich würde das Geld an Mission Lifeline spenden. Jeder einzelne Cent ist wichtig, um Menschen zu retten und ihnen ein lebenswertes Leben zurück zu geben.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: colorido, Plauen

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