Céline Berset

Céline wohnt in Köln, studiert in Merseburg und arbeitet bei der agisra – eine autonome, feministische Informations- und Beratungsstelle von und für Migrantinnen*, geflüchtete Frauen*, Schwarze Frauen* und all diejenigen, die von Rassismus betroffen sind. Wir trafen uns bei mir im Studio und redeten über ihre Arbeit und dass sie derzeit ein großes Problem haben, neue Räume in Köln für den Verein zu finden. Was sie genau bei agisra macht könnt ihr jetzt hier nachlesen: 

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich arbeite in einer feministisch, autonomen Migrant*innenselbstorganisation namens agisra e.V. Wir sind eine Beratungsstelle für geflüchtete und migrierte Frauen* in schwierigen Lebenslagen. Unser Büro in Köln ist oft der erste Anlaufpunkt für Betroffene von Frauenhandel, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, und weitere Formen von sexualisierter Gewalt. Alle Frauen*, die hier arbeiten stecken jeden Tag viel Energie in den Kampf gegen sexistische, klassizistische und rassistische Diskriminierung und Unterdrückung. Trotz der 3666 im letzten Jahr, lachen wir hier viel, wir kochen und essen jeden Tag zusammen, stärken uns gegenseitig und diskutieren auch mal laut am Esstisch über unterschiedliche politische Themen.

Was sind deine Aufgaben?

Ich bin für die Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising zuständig. agisra ist neben der beraterischen Tätigkeit auch eine politische Akteurin. Meine Aufgabe ist, die Arbeit von agisra nach außen zu tragen und die Anliegen von und für Migrantinnen* und geflüchtete Frauen* in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Ebenso sind wir stetig auf Spenden- und Fördergelder angewiesen. Ich versuche mit Kampagnen und Anträgen Gelder zu akquirieren, die wir für Projekte wie Empowerment Wochenenden, Unterstützung für Betroffene von Frauenhandel, Fachtagungen, barrierefreie Beratungsangebote etc. verwenden.

Wofür kämpfst du?

Ich kämpfe dafür, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, der sexuellen Orientierung usw. abgewertet werden. Ich engagiere mich gegen sexistische, rassistische und patriarchale Unterdrückung.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Ich komme aus einem linken öko Elternhaus, sodass ich schon früh politisiert wurde. Meine Mama hat mit mir schon als kleiner Stöpsel Schneefrauen gebaut, Spitzmädchen gebacken und ist mit mir ins Fußballstadion gegangen, mit meinem Papa schaute ich leidenschaftlich gerne Bollywood Filme und andere Kitschserien. Sie haben Geschlechterstereotype aufgebrochen und mir mitgegeben, dass Frauen* auch laut, stark und selbstbewusst sein können. Leider musste ich immer wieder erleben, wie Frauen* nicht gehört werden, wie sie psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind und dass sie Abwertung erfahren, wenn sie nicht gewissen Rollenmustern entsprechen. Das hat mich sauer gemacht – und ich wollte nicht still sauer sein.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Ich kann kein bestimmtes Ereignis nennen, denn der Arbeitsalltag ist meist so intensiv, dass mich die Mitarbeiterinnen* von agisra im Allgemeinen sehr prägen. Trotz der oftmals schwierigen Themen der ratsuchenden Frauen*, arbeiten sie jeden Tag mit so einer Offenheit und Herzlichkeit, dass ich immer wieder sehr gerührt bin. Die gegenseitige Stärkung, die Empathie und das Verständnis füreinander zeigen mir, wie ein Arbeiten im Team, auf Augenhöhe und ohne Machtgefälle funktionieren kann. Sowas prägt.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Es gibt verdammt viele Baustellen. Was ich jetzt direkt ändern würde ist, dass keine Menschen mehr auf dem Mittelmeer ertrinken müssen, dass es ein Bleiberecht für alle gibt, also auch keine Abschiebungen mehr (!), dass der §218 komplett aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird und dass Transpersonen selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten möchten. Ich möchte eigentlich nur eins: Dass all diese Menschen als das behandelt werden was sie sind. Menschen.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Ich bewundere Menschen, die sich für mehr Gleichberechtigung einsetzten. Als Einzelperson fällt mir gerade Aylin Karabulut ein, ihre Unermüdlichkeit auf Rassismus und Sexismus hinzuweisen, finde ich sehr wichtig.

Ebenso die ehrenamtliche Mitarbeiterin* Ida von agisra, die bald 77 Jahre alt wird und ihren Kampfgeist und Einsatz für andere Frauen* nicht verloren hat. Ich hoffe sehr, dass ich im Alter genauso engagiert bin wie sie und dass sich keine Resignation breitmacht.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Eine Band, die sich immer gegen rechte Gewalt ausgesprochen hat und die auf eine humorvolle Art die Absurdität menschlichen Handelns und Denkens besingt, sind die Ärzte. Ihr aktueller Song „Rückkehr“ zeigt das sehr gut.

Was ich auch gerade viel höre ist der Song „Vogel & Meer“ von Ebow.

(Diese Songs findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Mhm, das ist sehr schwierig. Es gibt viele Projekte, die ich gerne unterstützen würde. Da ich die Arbeit von agisra gut kenne und genau weiß, dass gerade für Betroffene von Frauenhandel am Endes des Jahres öfters nicht mehr genug Geld für eine angemessene Unterstützung da ist, würde ich das für jene Frauen* spenden. Für die Anwaltskosten, die Dolmetscher*innen, Begleitung zu Behörden und Nothilfe (Essen, Kleidung).

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Rosental, Leipzig

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