Vicky Pohontsch

Weißt du, wie es ist zu flüchten? Ich weiß es nicht, ich bin durch meine Geburt in Deutschland privilegiert. Viele Menschen haben nicht dieses Glück, sie flüchten aus 1000 verschiedenen Gründen. Ich bin froh, Vicky getroffen zu haben, sie setzt sich mit ihrem Verein Peperoncini für Menschen ein, für die eine Abschiebung droht. Sie vermittelt, berät und hilft immer auf Augenhöhe. Der Verein konnte schon mehrere Abschiebungen verhindern.  Was Vicky bisher alles noch erlebt hat, könnt ihr jetzt hier nachlesen: 

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Im bin in der Initiative Peperoncini e.V. aktiv. Peperoncini e.V. ist ein Rechtshilfefonds, der sich für die Rechte von, von Abschiebung bedrohten, Geflüchteten einsetzt. Wir finanzieren durch Spenden Anwält*innenkosten und setzen uns für eine menschenwürdige Asylpolitik ein.

Was sind deine Aufgaben?

Peperoncini ist ein kleiner selbstorganisierter Verein mit drei Ehrenamtlichen. Daher übernimmt jede von uns alle Aufgaben, die anfallen können. Meine Aufgaben erstrecken sich von der Kommunikation mit Kläger*innen, über die Kontaktaufnahme mit Anwält*innen und Sprachmittler*innen, Buchhaltung, Spendenakquise und Öffentlichkeitsarbeit.

Wofür kämpfst du?

Bei Peperoncini kämpfe ich für eine menschwürdige und gerechte Asylpolitik und setze mich für die Rechte von Geflüchteten ein! Ich kämpfe für eine Welt, in der Entscheidungen nicht von Zahlen oder gesellschaftlichen Konstrukten abhängen, sondern von dem, was menschlich ist. In der Asylpolitik entscheiden so viele andere Dinge über den Ausgang eines Asylverfahrens: Woher kommt ein Mensch (#gibteswirklichsichereHerkunftsstaaten?), oder wie ist der Mensch nach Deutschland gekommen (Dublin), oder gibt es nachweisbare Schul- bzw. Arbeitserfolge (wie ist wirtschaftliche Integration ohne Beschäftigungserlaubnis möglich?). Doch diese ganzen Dinge berücksichtigen nicht, warum Menschen tatsächlich fliehen. Sie sehen nicht den Menschen an sich. Niemand flieht freiwillig!

Erschwerend dazu sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden, ja sogar von Behörde zu Behörde. Da Asylsuchende auf die einzelnen Bundesländer zugeteilt werden, macht es somit einen enormen Unterschied für den Ausgang eines Verfahrens  in welchem Bundesland die Entscheidung über ihr Asylverfahren getroffen wird.

Darüber hinaus kämpfe ich für eine feministische, antifaschistische, antikapitalistische Welt, für eine bunte, queere Welt mit demokratischen und friedlichen Entscheidungsprozessen.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Seit Anfang 2017 bin ich bei Peperoncini. Doch schon vorher habe ich mich beim Flüchtlingsrat engagiert. Aktuell unterstütze ich auch immer häufiger queer-feministische Themen. Hierfür entwickle ich auch gerade mein eigenes Projekt tauzeit, welches aber noch in Kinderschuhen steckt.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Ich glaube nicht, dass mich ein Ereignis am meisten geprägt hat, sondern viele persönliche und gesellschaftliche Erfahrungen; das sind z.B. die Lebenswege von Kläger*innen oder politische Entscheidungen wie der Sea-Watch 3 keinen sicheren Hafen zuzuweisen.

Auf einen sehr prägenden Fall bei Peperoncini möchte ich trotzdem genauer eingehen. Da wir jeden Fall von Anfang bis Ende begleiten, bin ich immer relativ nah an den Kläger*innen dran und weiß über die Fluchtgründe und die aktuelle Lebenssituation Bescheid. Die Nähe ist sehr schön! Nicht selten gehen wir nach Anwält*innenterminen auch mal zusammen essen oder werden von den Kläger*innen lecker bekocht, sodass wir uns auch auf einer anderen Ebene kennen lernen können. Doch durch diese Nähe, bin ich auch ziemlich nah an den negativen Erfahrungen unserer Kläger*innen dran, was mich natürlich in besonderem Maße prägt. Das trifft z.B. auf den Fall einer Familie zu, die wir schon seit mehreren Jahren begleiten. Die Familie lebt schon über Jahre in Deutschland. Da der Sohn nun sein 18. Lebensjahr vollendet hat und damit juristisch nicht mehr zur Kernfamilie gehört, soll er aus seiner Familie in Deutschland gerissen und in sein Geburtsland abgeschoben werden – allein zurück in das Land aus dem er und seine Familie vor Jahren geflohen sind und zu dem er keinen Bezug mehr hat. Obwohl ihm ein Arzt akute Suizidalität bestätigt, ist eine Abschiebung nicht abwendbar, da ihn ein*e Ärzt*in während des Flugs begleiten könne.. (Was bitte? Und was ist nach dem Flug?) Ihm wird vorgeworfen wirtschaftlich nicht integriert zu sein, obwohl ihm das zweite Jahr in Folge von einem engagierten Ausbildungsbetrieb ein Ausbildungsvertrag ausgestellt wurde. Da er aber keine Beschäftigungserlaubnis hat, darf er die Ausbildung nicht antreten..  Wie kann so etwas sein? Wie kann ihm etwas zum Vorwurf gemacht werden, was ihm der Staat verwehrt? Solche Entscheidungen führen mich immer wieder an die Grenzen meines Verständnisses und prägen mich und das, für was ich kämpfe, natürlich umso mehr.       

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der „Zuhören“ ein seltenes Gut geworden ist. Schnell werden sich Meinungen gebildet, Dinge aufgebauscht oder heruntergespielt- da muss kaum noch zugehört werden. Nur durch diese Entkopplung können unmenschliche Entscheidungen getroffen werden. Ich kann und will mir schlichtweg nicht vorstellen, dass Menschen tatsächlich abgeschoben werden, wenn die Entscheider*innen hören und sehen, wie eine Geflüchtete von Zwangsprostitution und Vergewaltigung  berichtet, oder eine andere Person Morddrohungen erhält nur weil er schwul ist. Doch diese Entscheidungen werden getroffen! Leider sind Menschen, die Zuhören (z.B. Anhörer*innen) und Entscheider*innen oftmals nicht dieselbe Person (z.B. aufgrund hoher Antragszahlen). Hier wurden sich schon Meinungen gebildet, Quoten müssen erfüllt werden, in „sichere“ Herkunftsstaaten abgeschoben  oder sonstige Drittbelange erfüllt werden.

Ich wünsche mir eine Welt, in der mehr zugehört, als selbst geredet wird, in der verschiedene Lebensweisen anerkannt, statt beurteilt werden. In einer solchen Welt kann Empathie und Solidarität, Offenheit und Fairness wachsen.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Das sind ganz viele, ganz unterschiedliche Menschen und deren Handlungen. In dem einen Moment bewundere Kristina Hänel für ihren Kampf gegen §219a, im nächsten Moment bewundere ich einen Kumpel, der eine Beschwerde wegen rassistischer Behandlung an die Geschäftsleitung schickt. Ich bewundere ich Carola Rackete und Pia Klemp und die Crew von Sea Watch und alle anderen Seenotrettungsinitiativen für ihren Einsatz im Mittelmeer. Ich bewundere Freund*innen, die den Kampf gegen den Sexismus und das Patriachat aufgenommen haben. Ich bewundere viele Ehren- und Hauptamtliche, die ich durch Peperoncini oder Workshops kennenlernen durfte und ganz wunderbare Arbeit in Leipzig und Umgebung leisten. Und Menschen, die unermüdlich für ihr Recht kämpfen und einfach nicht aufgeben: unsere Kläger*innen.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Mhh, ganz unpolitisch:
Womack & Womack mit Teardrops

(Diese Songs findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Ich würde an Sea-Watch spenden oder halt an Peperoncini. Mit 5000€ kann Peperoncini vier Erstverfahren finanzieren und damit im besten Fall vier Bleiberechte.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Feinkost-Gelände, Leipzig

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