Susanne Siegert

Susanne Siegert ist eine engagierte Aktivistin für Holocaust Education und Gedenkarbeit. Sie setzt sich dafür ein, das Thema Holocaust in sozialen Netzwerken wie Instagram und TikTok sichtbar zu machen und junge Menschen zu informieren und zu ermutigen, lokale Gedenkstätten und NS-Zwangsarbeitsorte zu erforschen. Ihr Ziel ist es, den oft verwendeten Hashtag „#niewieder“ mit Bedeutung zu füllen und zeitgemäßes Gedenken zu fördern. Ich habe mich mit Susanne über TikTok in Verbindung gesetzt und sie für ein Interview angefragt. Wir trafen uns in Leipzig, wo ich die Gelegenheit hatte, mehr über ihre Arbeit zu erfahren. Aber lest selbst:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich bin wahrscheinlich das, was Menschen als „Instagram-Aktivistin“ bezeichnen würden. Das klingt zwar etwas despektierlich, aber ich empfinde es eigentlich nicht so und mein Aktivismus beschränkt sich längst nicht auf Social Media, ABER: Ich möchte das Thema Holocaust Education und Gedenkarbeit mehr in sozialen Netzwerken wie Instagram und TikTok sichtbar machen, für eine Zielgruppe, die vielleicht (noch) nicht so historisch interessiert ist. Mein Ziel ist es, dort so viele Menschen wie möglich zu erreichen, sie zu informieren, aber auch zu ermutigen, selber zu forschen, ob es in ihrer Umgebung zum Beispiel KZ-Außenlager oder Orte der NS-Zwangsarbeit gab. (Spoiler Alert: Die gab es dort ziemlich sicher)

Was sind deine Aufgaben?

An meinem Heimatort in Bayern, wo ich geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen bin, gab es eines der größten Außenlager des KZ Dachau: das KZ-Außenlager Mühldorfer Hart. Als ich die Gedenkorte dort zum ersten mal besucht habe, war ich schon längst aus der Schule raus und nach Leipzig gezogen. Aber auch von Sachsen aus konnte/kann ich in Online-Archiven zu den Menschen recherchieren, die in das Lager verschleppt und in vielen Fällen ermordet wurden. Um diese Geschichten zu teilen, habe ich den Instagram-Account @kz.aussenlager.muehldorf gestartet. Ich recherchiere, schreibe und gestalte Posts, drehe Videos, bin mit vielen Menschen im Austausch, auch anderen Gedenkstätten und -institutionen. Ich habe mittlerweile außerdem schon Menschen durch das ehemalige Lagergelände geführt, auch Lehrer:innen, die das Wissen an ihre Klassen weitergeben sollen. Damit die Schüler:innen nicht erst mit Mitte 20 davon erfahren, dass es in ihrer Umgebung ein KZ-Außenlager gab.

Wofür kämpfst du?

Dafür dass der (mir etwas leidige) Hashtag „#niewieder“ keine hohle Phrase wird.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Im Dezember 2020 habe ich meinen ersten Post veröffentlicht, der Gedanke zu dem Instagram-Kanal kam mir ein paar Monate früher.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Bei einem Online-Vernetzungstreffen mit anderen Akteur:innen der Gedenkarbeit meinte eine jüdische Person zu mir, dass sie ihren Social Media-Kanal nicht so gestalten kann bzw. möchte wie ich – weil sie, Zitat, „auf der Straße schon genug antisemitisch angefeindet wird“. Das hat mir nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass ich meine Privilegien für etwas Gutes nutze und mich als Verbündete einsetze.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Dass Gedenken an den Holocaust nicht mehr so ritualisiert ist. Kränze niederlegen, immer dieselben Zitate von Überlebenden, das „Schindlers Liste“-Theme auf der Geige, zum Abschluss eine Instagram-Story mit dem Hashtag „#niewieder“ – Pflicht erfüllt. Zeitgemäße Gedenkarbeit muss das aufbrechen: Diverser besetzte Gruppen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, neue Formate, stärkerer Bezug zu aktuellen Diskriminierungsthemen, etc.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Alle Überlebenden des Holocaust, die sich entschieden haben, trotz ihres Traumas wieder und wieder ihre Geschichte zu erzählen. Es sollte nicht die Aufgabe der OPFER sein, dafür zu sorgen, dass sich der Holocaust nicht wiederholt, trotzdem teilen sie ihre Erlebnisse als Mahnung für UNS, die Nachfolge-Generation der Täter:innen.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Endings“ von The Tidal Sleep.

(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

 

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Die Amadeu Antonio Stiftung. Weil sie es in meinen Augen ganz gut schafft, unsere Vergangenheit und aktuelle Themen der Diskriminierung in einem Atemzug zu reflektieren und bearbeiten. 

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Plagwitz, Leipzig

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