Sarah Ulrich

Sarah habe ich bei Twitter entdeckt. Sie hat über die taz einen Artikel über die Missstände der Weimarer Polizei veröffentlicht. Seitdem habe ich verfolgt, was sie macht. Sarah ist eine engagierte freie Journalistin. Sie schreibt am liebsten Reportagen und produziert den Podcast „We care!“. Was Sarah sonst noch macht und wofür sie einsteht, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich bin Journalistin. Ich schreibe Texte, moderiere Podien, mache einen Podcast, gebe Workshop und kuratiere Publikationen und Diskursveranstaltungen. Für mich ist das eine sehr politische Arbeit, weil ich sie dafür nutze, Themen, die ich wichtig finde, einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Mir ist es wichtig, meine politischen Perspektiven auf verschiedenen Ebenen zu artikulieren. Ich bin Feministin, also versuche ich, auf meine Geschichten immer auch einen feministischen Blick zu haben. Das bedeutet, Machtsstrukturen zu hinterfragen, zu schauen, wer wie stark repräsentiert ist, meine Position dafür zu nutzen, auch die Stimmen derjenigen, die unsichtbar gemacht werden zu verbreiten. Aktuell recherchiere ich beispielsweise eine Reportage zu dem Kampf von trans Frauen in Barcelona, in den kommenden Monaten plane ich eine Recherche zu der Ausbeutung von Rom:nja in der Fleischindustrie und ihren Widerstandstrategien. Ich habe den Anspruch, dass meine Arbeit rassismuskritisch und diskriminierungssensibel ist und versuche, mich in diesen Feldern stetig weiterzubilden. Ich versuche auch, einen Teil meiner Arbeit in Kollektiven zu verhandeln. Ich bin Teil des Balance Kollektivs und habe ein kollektives FLINTA-Büro (also Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen) in Leipzig.

Was sind deine Aufgaben?

Recherchieren, suchen, zuhören, lesen, drüber reden, kontexualisieren, aufschreiben. Am liebsten recherchiere ich investigativ und mit viel Zeit für Details. Das ist leider oft gar nicht so leicht, weil Journalismus immer schnelllebiger und schlechter bezahlt wird. Da bin ich froh, eine Zeitung wie die taz im Rücken zu haben, die zwar wenige Ressourcen hat, aber solche Recherchen unterstützt. Ansonsten gebe ich auch Workshops zu Pressearbeit für politisch Aktive und moderiere Diskussionsveranstaltungen. Ausserdem habe ich gerade mit Sarah Schwahn zusammen ein Dossier zum Thema „Rechter Terror“ für die Heinrich-Böll-Stiftung und die Amadeu-Antonio-Stiftung kuratiert, das Ende April erscheint. In meinem Podcast spreche ich über das feministische Thema der emotionalen Arbeit oder Beziehungsarbeit und Fürsorge. Ein Thema, dass in der Coronakrise auch gesamtgesellschaftlich an Bekanntheit gewonnen hat, aber immer noch viel zu wenig Wertschätzung erfährt.

Wofür kämpfst du?

Ohje, wie antworte ich am besten darauf, ohne pathetisch zu klingen? Ich kämpfe für eine solidarische Gesellschaft, in der patriarchale und rassistische Machtverhältnisse überwunden werden. In der Fürsorge und kollektive Strukturen wertgeschätzt werden und FLINTA-Personen die gleiche Stellung haben, wie cis-Männer (also Männer, die sich mit dem bei der Geburt zugewiesen Geschlecht identifizieren). In der rassistische Diskriminierung durch staatliche Behörden und Polizeigewalt aufgearbeitet und bestraft wird. In der die Forderungen von Personen, die von Rassismus betroffen sind, gehört und umgesetzt werden. In dem Dossier, dass ich kuratiert habe, stellen wir die Frage, welche Sicherheit eine offene Gesellschaft braucht. Wir müssen uns fragen: Um wessen Sicherheit geht es eigentlich? Unsere Gesellschaft ist für FLINTA-Personen und von Rassismus Betroffene nicht sicher. Ich kämpfe dafür, dass sich das ändert. Und das kann nur funktionieren, wenn wir kollektive Strategien des Widerstands finden. Meine Arbeit ist eine Form, diese Strategien sichtbar zu machen und von ihnen zu lernen.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Dass ich Journalistin werden will, wusste ich schon ziemlich früh, so mit 15/16. In welche Richtung es geht hat sich dann nach entwickelt. Ich habe Sozialwissenschaften und Gesellschaftstheorie studiert und mich in dieser Zeit nochmal stark politisiert, weil ich mit vielen sozialen Bewegungen in Kontakt gekommen bin. Irgendwann stand ich vor der Frage Journalismus oder Aktivismus und bin sehr froh, da ein Mittelweg gefunden zu haben, in dem ich zwar professionell arbeiten, aber immer wieder auch politische Themen behandeln kann.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Schwierige Frage. Persönlich hat mich der Heilungsprozess von meiner Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung am meisten geprägt – was aber auch einen enormen politischen Einfluss hat, weil ich dadurch gelernt habe, wie wichtig beispielsweise Erfahrungen für politische und soziale Kämpfe sind und wie politisch das Thema mentale Gesundheit ist. Darüber hinaus haben mich auch bewegungspolitisch viele Dinge geprägt. 

Zum Beispiel der Widerstand gegen die rassistischen Mobilisierungen in den Jahren 2015/2016 in Heidenau, Freital, Dresden und Leipzig, aber auch antirassistische Proteste in Lateinamerika, bei denen ich dabei sein durfte. Am meisten bewegt hat mich der Feministische Kampftag 2019 in Mexiko Stadt, bei dem tausende Feminist:innen sich die Straße genommen haben und für die Rechte von FLINTAS, marginalisierten Personen, Geflüchteten, Indigenen, Queers usw. protestiert haben – in einem Land, in dem zehn Frauen pro Tag aufgrund ihres Geschlechts ermordet werden. Das war unbeschreiblich, ich war mittendrin und habe gleichzeitig geweint, gelacht, geschrien und getanzt. Aus solchen Ereignissen habe ich gelernt, wie wichtig die kollektive Kraft ist.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Schon wieder so eine große Frage! So vieles. Die Asylgesetze, den institutionellen Rassismus der Behörden, die reproduktiven Rechte, die Wertschätzung der prekär Beschäftigten, die Wertschätzung von Fürsorge in unserer Gesellschaft generell, die Zugänge von Menschen mit Behinderung (beispielsweise zum Impfstoff), der gender pay gap, die binäre Geschlechterlogik. Ich würde der AfD und ihre Anhänger:innen, Reichsbürgern, Querdenkern, Nazis und Verschwörungsideolog:innen allesamt ihre Finanzierungen entziehen und an solidarische, kollektive Formen der Organisierung umverteilen.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Ich halte nicht so viel von der Heroisierung Einzelner, das steht für mich oftmals im Widerspruch zur kollektiven Kraft. Ich bewundere alle, die politische Kämpfe in das Zentrum ihres Lebens stellen.  Diejenigen, die als Vorreiter:innen für die Rechte von Marginalisierten kämpfen, die auf dem Mittelmeer Menschenleben retten, die für die Anerkennung queerer Lebensrealitäten oder das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung kämpfen. Aber auch diejenigen, die die Grundpfeiler unser Gesellschaft bilden: Pflegekräfte, Mütter, prekär Beschäftigte. Meistens sind das FLINTA-Personen und/oder Menschen mit Migrationsbiographie.

Ich bewundere diese Menschen, die oftmals im Unsichtbaren und ohne Anerkennung eine so wichtige Arbeit für uns alle leisten.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Oh auch das ist wirklich schwierig zu beantworten, weil ich super viel verschiedene Musik höre, die sich meist nicht in feste Genres fassen lässt. Darf ich drei verschiedene sagen?

1. Blue Lights von Jorja Smith und OG Keemo in der Version zusammen mit dem WDR Funkhausorchester, weil sie eine unglaublich gewaltige musikalische Übersetzung für das wichtige Thema rassistische Polizeigewalt finden.

2. It’s okay to cry von der großartigen Künstlerin SOPHIE – weil sie eine Pionierin der Popmusik war, die Grenzen geschlechtlicher Identitäten überwunden hat und weil es auch wirklich einfach total ok ist, zu weinen. 

3. WAP von Cardi B und Megan Thee Stallion – weil ich großer Fan von einem Feminismus bin, der die sexuelle Selbstbestimmung von FLINTAS und das Recht am eigenen Körper in den Fokus stellt.

(Diese Songs findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Ich würde das Geld aufteilen und an verschiedene Initiativen spenden. Zum Beispiel an die Initiative 19. Februar aus Hanau oder die Bildunginitiative Ferhat Unvar, an die Selbstorganisation geflüchteter Frauen Women in Exile, an einen Verein ziviler Seenotrettung wie Seawatch oder Mission Lifeline. Außerdem gibt es tolle Listen von Black Lives Matter Initiativen, an die man spenden kann. Super wichtig ist auch die Unterstützung queerer Räume, die durch die Pandemie gerade immer stärker bedroht sind. Und – ein Thema was leider oft zu kurz kommt – an Ende Gelände, die sich für einen radikalen Systemwandel in der Klimakrise einsetzen. 

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Nähe Rabet, Leipzig

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