Michelle Bray

Als ich Annalena fragte, welche aktiven Personen sie in Bautzen noch so kennt, schrieb sie: „Ich bring noch Michelle mit! Schau dir dieses Video an, sie ist die perfekte Herzkämpferin.“ Ich schaute mir das besagte Video an und war sehr begeistert. Michelle zeigt mir, wie man auch im Job und im Alltag helfen kann. Wie man für eine bessere und offene Stadtgesellschaft einstehen kann. Als wir uns dann in Bautzen trafen, kannte Michelle an jeder Ecke Personen. Ein „Hallo“ hier, ein lieber Gruß dort. Ich wünschte mir, es gäbe mehr solcher Menschen. Warum Michelle jetzt aber bald aus Bautzen wegzieht, könnt ihr hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Gegen Ungerechtigkeit. Die letzten 3 1/2 Jahre lebte und arbeitete ich in Bautzen. Durch das Umfeld hier und nicht zuletzt wegen meiner persönlichen Geschichte geht es dabei besonders um das Thema Rassismus. Was ich mache, würde ich aber als vielschichtiger beschreiben: den Versuch Menschen für die Denk- und Handlungsstrukturen zu sensibilisieren, die schon viel zu lange ein akzeptierter Teil unserer Gesellschaft sind und Rassismus befördern. Das bedeutet sich gegen Rassismus auszusprechen und ungemütlich zu sein. Das bedeutet auch Menschen, die von Rassismus betroffen sind, zu empowern.

Ich versuche Menschen einen Raum zu geben, in dem sich alle auf Augenhöhe begegnen, in dem Fragen und Fehler erlaubt sind und man gemeinsam nach Lösungen sucht.

Was sind deine Aufgaben?

Meine „Aufgaben“ im beruflichen Sinne haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Ich bin gelernte Schauspielerin und nach Bautzen gezogen um hier am Theater als Puppenspielerin zu arbeiten.

Im Herbst 2016 fing ich an neben der Arbeit ein Theaterstück mit Jugendlichen in Bautzen zu realisieren, bei dem es um genau diese Begegnungen zwischen Menschen ging.

Seit Anfang 2018 bin ich am Deutsch-Sorbischen Volkstheater im Projekt „Thespis Zentrum“ angestellt.

Das „Thespis Zentrum“ soll ein Ort sein an dem genau solche Begegnungen durch Theater spielen möglich werden. An dem wir gemeinsame Utopien durchspielen und das „jetzt“ aus anderen Blickwinkeln ansieht.

Ich war die erste Mitarbeiterin des Projekts und bin die einzige von 7 Personen, die vorher schon in Bautzen wohnte. Deswegen war meine Arbeit in den letzten Monaten eher organisatorischer Natur.

Wofür kämpfst du?

Ich träume von einer Welt, in der egal ist, wer man ist und woher man kommt. Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben. Davon sind wir leider weit entfernt.

Ich versuche um mich herum dafür zu sorgen, dass ich das soweit wie möglich befördern kann. Ich versuche das, indem ich versuche einen Raum gerade für die Menschen zu schaffen, denen wenig zugehört wird. Weil sie vielleicht Jugendliche sind und ihre Meinungen „noch“ nicht zählen oder weil ihre Perspektive als die einer nichtigen Minderheit angesehen wird.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Bautzen ist ein spannender Ort. Ich wurde hier mit Meinungen und mit Welten konfrontiert, die mir vorher fremd waren. Das meine ich sowohl im Guten als auch im Schlechten. In den letzen 3 1/2 Jahren hier hatte ich die Möglichkeit, Neues zu lernen und zu wachsen, meine Perspektiven zu erweitern. Das war spannend und anstrengend. Ich habe Eigenschaften an diesem Ort und vielen Menschen hier gefunden, die ich sehr schätze. Bautzen ist aber auch ein Ort an dem Rassismus in unterschiedlichsten Formen an der Tagesordnung steht und (zu) häufig sogar akzeptiert wird. Das hört natürlich nicht auf, wenn ich nach Feierabend das Büro verlasse und betrifft auch mein privates Leben. Das zehrt neben der Arbeit, die so wichtig, anstrengend, aber auch schön ist, an meiner Kraft und die fehlt dann an anderen Stellen, an denen sie nötig wäre. Deshalb ist die nächste große Veränderung, die ich sehe, dass ich beschlossen habe Bautzen zu verlassen und mich anderen Aufgaben zu stellen. Ich weiß noch nicht wohin es gehen wird. Aber ich bin gespannt. Die Idee Räume zu schaffen, in denen man sich vorurteilsfrei begegnen kann; Menschen auf Augenhöhe zu begegnen; ihnen die Mittel an die Hand zu geben ihre Ideen zu realisieren oder ihre Meinungen hörbar zu machen; Zugänge zu schaffen, wo vorher keine waren, die werden mich auch weiter antreiben. Aber eben nicht in Bautzen. Es ist ja auch nicht so als wäre Bautzen der einzige Ort, an dem das nötig wäre. Das braucht es an vielen Orten und wo der Platz ist, an dem ich weiter meinen Teil dazu beitrage, wird sich zeigen.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Es gibt viele Menschen, die ich bewundere. Ich bewundere Menschen aber selten für das was sie „erreicht“ haben. Ich bewundere Menschen für Kraft und Geduld, die sie haben mussten, um zu erreichen, was sie erreichten. Für den Mut ins kalte Wasser zu springen und Neues zu versuchen, wenn das „jetzt“ nicht genug ist. Aber auch dafür ungemütliches auszuhalten.

Wenn ich eine Person aus meinem aktuellen Umfeld nennen müsste, dann wäre es Ely Almeida. Eine wundervolle Frau, die sich hier in Bautzen schon lange für Empowerment von People of Color und gegen Rassismus engagiert.

Von Ely habe ich schon viel gelernt. Inhaltlich. Aber das Beeindruckendste an ihr ist, wie viel Liebe und Kraft sie anderen Menschen gibt. Mit welcher Ausdauer sie einer Welt die oft feindselig sein kann so viel positives gibt.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Es mag ein Klischee sein: „Adriano“ von Samy Deluxe, Afrob, Torch, Xavier Naidoo, Megaloh & Denyo.

Als „Adriano“ von den Brother’s Keepers rauskam, war ich 15. Da waren auf einmal viele POC, die gemeinsam Musik machten. Damals war das besonders für mich, weil ich mich selbst in den deutschen Medien einfach nie repräsentiert sah.

Ich habe das Lied mit dieser Version wiederentdeckt und bekomme Gänsehaut. Mein 31-jähriges ich findet sich darin wieder, genauso wie das 15-jährige. Ich merke, wie wenig ich von den Texten damals verstanden habe. Ich bin schockiert, dass 2001 Menschen diese Zeilen schrieben, die 2018 immer noch genauso wahr sind. Sollten wir nicht weiter sein?

Was mich wundert ist, dass Xavier Naidoo bei dem Lied auch wieder dabei ist, da er in den letzten Jahren mit einigen fragwürdigen Aussagen auf der Seite von Reichsbürgern und Rechtspopulisten stand. Das Lied hat aber Power und die Texte der anderen Künstler ist sind so gut, dass es trotzdem ein Lied bleibt, das mich antreibt.

(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Im letzten Jahr habe ich für das Projekt „Thespis Zentrum“ des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters gearbeitet. Dort werden Theaterprojekte mit Bürger*innen der Stadt realisiert, nicht zuletzt, um Begegnungen zwischen Menschen herzustellen, die in ihrem Alltag keine Berührungspunkte haben.

Infos dazu findet man unter: www.thespis-zentrum.de

Eines der ersten Projekte dieser Art war „Romeo & Julia auf Platte“. Darüber und über Bautzen im allgemeinen kann man was unter https://youtu.be/M0dJK02qh-s sehen. Die New York Times hat darüber ein sehr schönes Video gemacht, wie ich finde.

Ort der Aufnahme: Hexenhaus, Bautzen

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