Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?
Ich würde gern sehen, dass mich Menschen nicht nur ansprechen und bestärken, sondern dass sie selber laut und aktiv werden. Frank Richter beschrieb es einmal in etwa so: „Viele warten hinter der Gardine ab“ – das gilt für 1989 wie für heute. Wenn wir aber aus der Geschichte gelernt haben und „Weimar“ sehen, ist klar erkennbar, dass man den Mund aufmachen muss. Ich höre von Geschäftsleuten, die sich nicht trauen, rechten und menschenfeindlichen Äußerungen zu widersprechen, aus Angst Kunden bzw. Geschäftspartner zu verlieren. Wir haben hier in Bautzen ein so umfassendes rechtes Netzwerk aus klassischen Neonazis, Geschäftsleuten, die Verschwörungstheorien und Reichsideologie verbreiten im Internet und in eigenen Zeitungen, rechten Christen, völkischen Pfarrern, Sekten wie der OCG, Querfront-Friedensbewegten, Druschba-Friedensfahrern, völkischen Familien, ökologisch Bewegten, aus Deutschland ausgetretenen Naturärzten, AfD, Identitärer Bewegung…Es muss offen gesagt werden: Bautzen hat ein riesen Problem. Aber nicht nur Bautzen – die Ideologen Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer sind in ganz Deutschland erfolgreich, besonders aber in Ostdeutschland. Sie bauchmiezeln die Menschen hier als unbeugsame Helden und Avantgarde. Wer schon einmal eine Diktatur gestürzt hat, wird das ja wohl auch mit der „Merkel-Diktatur“ schaffen. Viele richten sich in ihrer Opferrolle ein, und jeder von außen hat entweder keine Ahnung oder lügt. Es ist brandgefährlich, weil gesagt wird, dass jetzt die letzte Chance zur Verhinderung der „Umvolkung“ oder des „großen Austauschs“ gekommen ist. Die verbreiteten Internetseiten bedienen den Mythos der wahren Schuldigen (jüdische Weltverschwörung) und erzeugen so im schlimmsten Falle nicht nur Rechtsterroristen sondern auch islamistische Terroristen – siehe
WUT von Julia Ebner . Die Demokratie ist in ernster Gefahr. Beängstigend ist die sichtbare Hilflosigkeit der Politik, welche Michael Wolffsohn im Buch „
Zivilcourage – Wie der Staat seine Bürger im Stich lässt“ treffend beschreibt. Wenn von „oben“ keine klare Linie vorgegeben wird zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit, dann führt der Aufruf zur Zivilcourage im schlimmsten Falle in den Bürgerkrieg. Den Aufstand der „Anständigen“ einfordern und gleichzeitig den „Unanständigen“ das Gefühl geben, dass auch sie in Sachsen willkommene kritische Geister sind, das geht nicht gut. Aber genau der Bürgerkrieg ist ja erklärtes Ziel von neurechten Vordenkern wie Götz Kubitschek. Genau wegen dieser „Schwammigkeit“, der fehlenden klaren Kante von oben, machen so viele den Mund lieber nicht auf oder wechseln gar die Seiten.