Steffen Unglaub

Als sich 1989 viel bewegte, war ich, Martin Neuhof, 5 Jahre alt, also kein Alter, um irgendetwas aktiv wahrzunehmen. Ich kenne die Erzählungen über diese Zeit und natürlich sind auch meine Eltern und mein Umfeld geprägt von dieser Zeit. Steffen konnte schon aktiv mitgestalten. Wir trafen uns zusammen mit Doritta in Plauen. Steffen mischt auch beim Colorido e.V. in Plauen mit. Was er alles bisher erlebt hat, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich bin im Vorstand von colorido e. V. Plauen als Beisitzer aktiv, einem Verein, der 2017 gegründet wurde. Wir sind in Plauen angetreten, damit Menschen, die sich engagieren wollen, wieder einen Ansprechpartner, eine Plattform finden.

Außerdem bin ich Mitglied des VVN-BdA Vogtland. Die Erinnerungsarbeit dieses Vereins liegt mir besonders am Herzen. Die Zeitzeugen in diesem Verein und ihre Geschichte darf nicht vergessen werden, es muss jemand geben, der das im Herzen behält und weiterträgt.

Was sind deine Aufgaben?

Ich bringe mein Organisationstalent und meine Erfahrungen in Bezug auf Demonstrationen ein. Die meisten Anmeldungen von Veranstaltungen und Demonstrationen im öffentlichen Raum sowie die dazugehörigen Koop-Gespräche gehören zu meinen Aufgaben innerhalb der Vereine. Dadurch bin ich auch in den Fokus vom Verfassungsschutz gerückt.

Wofür kämpfst du?

Für eine Welt, in der meine Kinder und Enkel ein Erbe antreten können, für das es sich lohnt zu leben. Ich kämpfe für ein besseres Miteinander, Achtung des Einzelnen, für eine offene und freie Gesellschaft, wo der Mensch im Vordergrund steht und nicht die Macht des Geldes.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Ich habe schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dieser hat mich in der Schule auch immer anecken lassen. Ich wurde dadurch schnell zum Außenseiter abgestempelt.

In meiner Lehrzeit habe ich Kontakt mit Menschen bekommen, die dem System DDR kritisch gegenüber standen und sich für eine bessere, offene und freie Gesellschaft aussprachen. Eine Gesellschaft für den Menschen und mit den Menschen. Seit 1987 bin ich offen gegen die Staatsmacht aufgetreten, was mir nicht unbedingt immer „gut“ getan hat. 1989 war ich aktiv an der Umgestaltung der ehemaligen DDR beteiligt. Ich war Gründungsmitglied des Neuen Forums in Plauen und in der Gruppe der 20 aktiv dabei. Die Organisation des Neuen Forums fand in meiner Wohnung statt. Hier qualmten die Köpfe und nicht nur diese.

Der Aufbruch 1989 sollte für mich ein Aufbruch in eine bessere gerechtere Welt sein. Nicht wissend was da kommt, habe ich mit Unbehagen den Ausverkauf der DDR miterleben müssen und damit den Verkauf unserer Ideale, hin zu einer konsumgeprägten Gesellschaft. Schon im Mai 1990 musste ich feststellen, dass nicht mehr viel übrig war von unseren Überzeugungen, das führte dazu, dass ich mich zurück gezogen habe und ich mich auf Familie und Arbeit konzentrierte.

Ich engagierte mich im Rahmen meiner Gemeinde und im Rahmen einzelner Projekte aber ohne einen klaren politischen Hintergrund. Über 10 Jahre schwieg ich und dachte der Kelch geht an mir vorüber, bis mir immer mehr klar wurde, dass unsere Gesellschaft und diese Welt in Gefahr ist. Ich habe wieder damit angefangen, dass wir für unsere Ideale einstehen und Gesicht zeigen müssen. Heute sehe ich es als wichtig an, für eine bessere und menschlichere Gesellschaft zu kämpfen.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

1989 habe ich gespürt, welche Kraft vom Volk ausgehen kann, wenn man sich einig ist, etwas verändern zu wollen. Einigkeit und der Glaube an eine bessere menschlichere Welt die Jung und Alt zusammenschweißt. Dieser Mut der Masse hat mir Kraft gegeben.

Mein Engagement gegen das aufkommende rechte Gedankengut prägt mich tagtäglich. Die angebliche Ohnmacht bzw. die Duldung durch unsere Staatsmacht macht mich wütend. Ich musste ansehen, wie Menschen die für ihre Ideale auf die Straße gingen, kriminalisiert und als Feind der Gesellschaft angesehen wurden. Wie die Polizei junge engagierte Menschen gegen Rechts aus der Kirche prügelte, um sie dann erkennungsdienstlich zu behandeln.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Ich halte das System der Sozialen Marktwirtschaft als Ansatz für das richtige System.  Es könnte funktionieren, aber der Fokus muss mehr auf dem Sozialen liegen.

Eine förderliche Gestaltungsweise zwischen Kultur, Sozialem, Natur, Wirtschaft als Säulen unserer Gesellschaft wäre erstrebenswert. Die Wirtschaft allein darf nicht unser Leben auf diesem Planeten bestimmen. Alle Grundversorgungen gehören in staatliche Hand und nicht verscherbelt in Privathand und Konzerne

Das Parteiensystem und das Bankensystem gehören auf den Prüfstand und sind meiner Meinung nach mehr als überholungsbedürftig.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

1989 habe ich gespürt welche Kraft vom Volk ausgehen kann, wenn man sich einig ist. Ich bewundere Menschen, die für ihre Meinung einstehen. Mahatma Gandhi bewundere ich.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Das ist bei mir von der Tagesform abhängig. Ich höre mir gerne einmal die Lieder von Peter Maffay an. Bei Gedanken über die Welt bevorzuge ich klassische Musik. Feine Sahne Fischfilet (Ich bin komplett im Arsch) und das dann mit offenem Fenster im Auto. Ein Wunsch von mir, ein Feine Sahne Konzert in Plauen auf den Albertplatz zum 1. Mai, vielleicht 2021.

(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Ich weiß, dass es den Wunsch auch von anderen Aktiven in unserem Umfeld nach einem eigenen Lautiwagen für Demos gibt. Man könnte sich ja rein teilen. Um dies zu verwirklichen würde ich das Geld spenden.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Im Netz gibt es einiges über mich zu finden, wer mich kontaktieren möchte dann bitte über www.colorido.de .

Ort der Aufnahme: Altstadt, Plauen

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