Judith Sophie Schilling

Wer sich mit Aktivismus in Sachsen auseinandersetzt, wird früher oder später auf das Treibhaus in Döbeln stolpern. Hier wird seit über 20 Jahren Flagge gezeigt. Flagge für ein alternatives kulturelleres Angebot und Flagge für diverse Beratungsmöglichkeiten im Jugendbereich. Gerade dieser so wichtige Verein steht jetzt vor einer schwierigen Zeit, da die AfD im Stadtrat die Förderung des Vereins infrage stellt. Das passiert in Sachsen massenhaft, sobald die AfD große Stimmenanteile auf sich vereint. Ich habe mich mit Judith getroffen und sie erklärt mir, was ihre Arbeit ausmacht und wo ihre Themenschwerpunkte liegen, aber lest mal selbst (und spendet danach an den Verein ein paar Euro):

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich engagiere mich im Treibhaus e.V., einem soziokulturellen Verein in Döbeln. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen, den vielen ehrenamtlich Engagierten, mit unseren Unterstützer*innen und Fürsprecher*innen setze ich mich dafür ein, dass es hier in der Region beteiligungsorientierte, demokratiefördernde und nicht-kommerzielle Kultur- und Bildungsangebote gibt. Außerdem bieten wir Beratungsmöglichkeiten für Jugendliche und Geflüchtete, schaffen Freiräume für Austausch, Kreativität und Begegnung und entwickeln immer wieder neue Ideen für die Gesellschaft, in der wir leben wollen.

Was sind deine Aufgaben?

Seit 2017 bin ich Geschäftsführerin, das heißt ich bin verantwortlich für die allgemeine Verwaltung und Organisation unseres Vereins. Ich kümmere mich um Personal- und Projektfragen, entwickle Konzepte, habe unsere Finanzen im Blick, vertrete den Verein in der Öffentlichkeit… Das mag erstmal gar nicht so spannend klingen, aber ich habe vor allem viel Spaß daran, Zukunftsvisionen zu spinnen, neue Ideen zu entwickeln, Antragstellungen und Prozesse zu begleiten und dabei immer wieder festzustellen, dass wir nie stagnieren.

Wofür kämpfst du?

Ich kämpfe für eine bessere Welt. Für mich bedeutet das, dafür zu kämpfen, dass Orte wie der Treibhaus e.V. erhalten bleiben. Dass Menschen von den Angeboten, Projekten und Veranstaltungen wissen und dazu animiert werden, vorbeizuschauen. Dass Hürden abgebaut werden, an kulturellen und gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen. Und dass das „Miteinander etwas schaffen“ im Vordergrund steht.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Wahrscheinlich mit dem Moment, an dem ich das erste Mal selbst in Kontakt mit dem Treibhaus e.V. gekommen bin. Ich habe hier wahnsinnig spannende, interessierte, kreative, clevere und inspirierende Menschen kennengelernt, von denen ich viel lernen konnte. Ich wurde hier sozialisiert und politisiert, konnte mich ausprobieren, auch mal scheitern und gemeinsam mit anderen vieles schaffen. Der Verein war für mich super wichtig und ich will, dass noch viele Menschen die gleichen Möglichkeiten haben wie ich sie hatte und habe.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Im Jahr 2017 hat der Treibhaus e.V. seinen 20. Geburtstag gefeiert. In dem Zusammenhang haben wir an einer Chronik gearbeitet und uns mit vielen Menschen in Verbindung gesetzt, die den Verein irgendwann mal begleitet, Projekte gestaltet, Ideen entwickelt und auch schwierige Situationen in der Vereinsgeschichte gemeistert haben. Das zu dokumentieren und in Buchform zusammenzufassen, noch mal viel tiefer in die Entwicklung des Vereins zu schauen und festzustellen, wie viele unterschiedliche Menschen hinter der Institution stehen, war für mich sehr einprägsam. Es hat mir einerseits gezeigt, dass das hier etwas Besonderes ist, was sich über viele Jahre entwickelt, verändert und verstetigt hat. Andererseits aber auch, dass die Arbeit nie leicht war und auch nie leicht sein wird. Es gibt immer Leute, denen es nicht passt, wenn Alternativen geschaffen und Kontrapunkte gesetzt werden. Der Gegenwind reicht von bürokratischen Hürden über Einschüchterungen bis hin zu Angriffen und Anschlägen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu und macht mir klar, dass es umso wichtiger ist, immer wieder mit dem Finger auf Missstände zu zeigen und unsere Arbeit mit Haltung und Konsequenz anzugehen.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Ich wünsche mir, dass der gesamtgesellschaftliche Diskurs über zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Projekte der demokratischen Bildung sich verändert. Es wird über Neutralität diskutiert, über Kosten oder über die Messbarkeit von Erfolgen. Aber was wir brauchen ist Vertrauen von Fördermittelgebern und politischen Verantwortungsträgern, ist eine zuverlässige und planbare Unterstützung und ist ein langer Atem. Wir brauchen Projekte mit Haltung, die uns zeigen, dass gute inhaltliche Arbeit immer verbunden damit ist, eine Position zu haben und diese auch klar nach außen zu formulieren. Und wir brauchen Orte, an denen wir uns im Alltag in Demokratie üben können.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Ich bewundere Menschen, die mit viel Ruhe und Gelassenheit aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen angehen und die nie den Mut verlieren. Ich bin schon ein ziemlich optimistischer Mensch und fest überzeugt von meiner Sache, aber in letzter Zeit fühle ich mich manchmal auch müde und ausgelaugt vom ständigen Kämpfen.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

„Buffalo“ von Bayoné

(Diese Songs findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Total eigennützig würde ich das Geld dem Treibhaus e.V. spenden. Ich weiß, dass es super viele Projekte und Initiativen gibt, die ebenfalls angewiesen sind auf finanzielle Unterstützung. Und ich wünsche mir natürlich, dass für alle irgendwann ein riesiger Geldregen kommt, der uns ganz viele Sorgen vergessen lässt und uns unabhängig macht von öffentlichen Geldern. Aber da ich auch weiß, wie nötig wir eine solche Summe aktuell hätten und wie viele Sorgen es uns nehmen würde, ist die Sache klar.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Wettinplatz., Döbeln

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