Jakob Springfeld

Wenn man mit Jakob durch Zwickau läuft, wird er überall erkannt, egal, ob mitten auf der Straße, im Park, oder im Dönerladen. Jeder kennt diesen 17-jährigen Zwickauer, er ist einer der Aktivisten, die sich wehren, wenn NSU-Gedenkbäume abgeholzt werden oder wenn Menschen Unrecht widerfährt. Ich habe selten einen so engagierten Jugendlichen getroffen und bin froh, dass es solche Personen in Zwickau gibt. Was Jakob bisher vor Ort alles erlebt hat, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Mein Name ist Jakob, ich bin in der 12. Klasse und möchte dieses Jahr mein Abitur machen. Aktiv bin ich bei FridaysforFuture, in der Grünen Jugend, in antifaschistischen Gruppen und in der Flüchtlingshilfe. Ich engagiere mich für eine angemessene NSU-Erinnerungs-Kultur in Zwickau, für gesellschaftlichen Zusammenhalt, ohne den die Bewältigung der Klimakrise niemals stattfinden kann und für einen Antifaschismus, der von allen Schichten gewürdigt, anerkannt und unterstützt wird. Aufstrebendes rechtes Gedankengut und Rechtsextremismus, der jahrelang ignoriert wurde, sind ein Problem, gerade auch in Zwickau. Das Jahr 2019 hat aber auch gezeigt, was wir als offene, tolerante und antifaschistische Jugend erreichen können und noch müssen. Für diesen wortwörtlichen „Herzkampf“ engagiere ich mich und dafür habe ich im letzten Jahr zahlreiche Mitstreiter*innen gefunden.

Für was bist du aktiv in Erscheinung getreten?

Das erste Mal, dass ich mich aktiver mit Politik, Gesellschaft und Zusammenleben befasst habe, war 2015. In einer Sporthalle im Zwickauer Stadtteil Eckersbach waren einige Geflüchtete untergekommen und mein Vater und andere Engagierte kamen auf die Idee Familientreffen zu veranstalten. Einmal im Monat trafen sich Geflüchtete und Deutsche zum Gespräch und zum Spielen. Auch ich knüpfte viele Freundschaften und redete auch in der Schule über meine neuen Freunde. Das stieß nicht nur auf Zustimmung. Einige waren skeptisch und nicht jeder unterstützte meinen neuen „Refugees Welcome“ Pullover. Mir wurde klar, dass sich etwas ändern muss. Niemand von den Kritikern hatte je mit Geflüchteten geredet. So kam es, dass wir uns dreimal zum „Sozialen Tag“ (ein Tag im Jahr an unserer Schule, an dem gemeinnützige Projekte unterstützt werden) mit Geflüchteten trafen. Freundinnen aus meiner Klasse gaben einem Mädchen Nachhilfe und die Stimmung verbesserte sich. Ich erntete viel Zuspruch, was mir gezeigt hat, wie wichtig und zielführend der Dialog mit Menschen sein kann. Doch, dass man mit Dialog nicht jeden erreichen kann, wurde mir auch klar. Ich lief durch die Stadt und auf einmal schrie ein älterer Mann: „Zieh deinen scheiß Pullover aus!!“


Für mich, als 14-Jährigen, war das etwas ganz neues. Auch in Zwickau gab und gibt es viele rechtsextreme Menschen, das war beängstigend und mir wurde klar, dass mehr getan werden muss.

Was sind deine Aufgaben?

Grundsätzlich versuche ich zu vernetzen, versuche Jugendliche an Themen heranzuführen, mit welchen sie sich einfach noch nie befasst haben und ich versuche weltoffene und klimagerechte politische, sowie gesellschaftliche Bestrebungen praktisch umzusetzen. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Antifaschismus und Klimagerechtigkeit gehören für mich beispielsweise stark zusammen und genau diese Verknüpfungen und Brücken, versuche ich meinen Mitmenschen zu vermitteln. Man kann sich gegen Rechts, für Klimaschutz, bessere Bildung und vieles mehr engagieren, sollte aber nie das Ganze aus dem Auge verlieren und muss das alles miteinander verbinden. Oft ist das nicht leicht. Es gibt so viele Probleme, Gruppen, Aktivisti und Dinge, die man unterstützen müsste. Ich habe versucht einfach zu machen. Was zu Beginn nur die Flüchtlingshilfe war, wurde zu demokratisch gelebten Antifaschismus und diese Aspekte versuche ich jetzt auch bei FridaysforFuture mit einfließen zu lassen. Das gemeinsame Organisieren von FridaysforFuture Demonstrationen gehört für mich also genauso dazu, wie gemeinsame Anreisen zu antifaschistischen Demos zu starten, wenn der Dritte Weg beispielsweise wieder in Plauen marschiert. Neben dem Reagieren auf rechtsextreme Taten, wie die diesjährige Zerstörung eines NSU-Gedenkbaums, mit einer Gedenkminute an der über 100 Jugendliche teilnahmen, gehört für mich auch das langfristige demokratische Schaffen antifaschistischer und klimaschützender Strukturen.

Müllsammelaktionen, kommunale Klima-Forderungen und Nazis blockieren, passt für mich zusammen. Klimaschutz, Klimagerechtigkeit und Antifaschismus müssen zu Grundpfeilern unserer Demokratie werden, sonst ertrinken wir, wortwörtlich oder im Hass. Mit unseren übernommen Aufgaben möchten wir diese Grundpfeiler effizient stärken und zusammenbringen.

Wofür kämpfst du?

Ich kämpfe für das Aufwachen von Zwickauern und Zwickauerinnen, in dem nicht länger Weggesehen wird, wenn Nazis im Stadtrat sitzen oder politisch aktive Menschen angepöbelt werden. Wir stehen für ein anderes Zwickau, wir haben es uns zum Kampf gemacht Zusammenzuhalten und zeigen, dass Solidarität stärker ist als jeder Hass. Diese Erkenntnis ist die wichtigste zur Bewältigung der Klimakrise und die Klimakrise wird noch mächtiger auf uns hereinbrechen als rechter Hass, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

2018 prägten mich die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz sehr. Ich war auf der Gegendemonstration und konnte nicht fassen, was da gerade passiert war. Zwei Meter neben mir landete ein Böller und das erste mal hatten wir wirklich Angst. Auch aus Zwickau waren Nazis angereist und ich wusste, dass etwas passieren muss.

Wie konnte es möglich sein, dass Nazis demonstrieren dürfen und dabei immer mehr Zuspruch aus der Gesellschaft erhalten?

Ich dachte, dass Zwickau, genau wie Chemnitz, eigentlich viel mehr Potenzial hat. Wir knüpften Freundschaften nach Chemnitz und wollten eben auch in Zwickau etwas aufbauen. Bei FridaysforFuture und bei zahlreichen anderen Aktionen haben wir dann gemerkt, dass es funktionieren kann. Das gab Hoffnung und das gab Kraft. Nazis nähren mit ihren Demos also nicht immer nur Hass und Rassismus, sie sorgen (glücklicherweise und oft noch viel zu wenig) dafür, dass Menschen aufstehen, widersprechen und Eigeninitiative ergreifen. Viel früher und stärker hätte diese Initiative natürlich von den regierenden Parteien ergriffen werden müssen.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Politisch wünsche ich mir, dass man Probleme sieht und bekämpft bevor es zur Katastrophe kommt, zumindest soweit das möglich ist. Der rechtsextreme Anschlag in Halle oder die Klimakrise sind schließlich keine Überraschungen. Zu lang wurden offensichtliche Probleme ignoriert, kleingeredet oder verleugnet. Mit der Klimakrise stehen wir jetzt jedoch vor einer Krise, die vernichtend sein kann. Es gilt sofort zu handeln, Rechtsextremismus ernst zu nehmen und echte Lösungen umzusetzen, anstatt nur Scheinlösungen, wie das Klimapaket zu beschließen. Gesellschaftlich wünsche ich mir mehr Akzeptanz und Demokratie. Wir alle könnten uns einbringen, Kritik äußern und demonstrieren gehen. Viele sehen allerdings weg und lassen die wichtigen Entscheidungen von anderen treffen. Demokratie sollte jedoch von Protest, Kritik und dem Einbringen von allen leben. Dabei muss natürlich klar sein, dass die Meinungsfreiheit Grenzen hat, wenn Nazis, wie bei Pegida zum Beispiel von „Absaufen“ sprechen. Politik, Mitsprache und Diskussionen sollten nicht nur von reichen alten weißen Männern gemacht bzw. geführt werden.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?


Ich bewundere alle, die vor allem auch in ländlicheren Orten, Dörfern und Regionen aufgestanden sind und aufstehen werden. Demokratie, Antifaschismus und Klimaschutz müssen umgesetzt werden, egal wo. Dass dieses gesellschaftliche Engagement in vielen Gebieten mit Bedrohungen und viel Hass enden kann, ist beängstigend. Alle, die sich davon nicht unterkriegen lassen, machen etwas richtig, auch wenn es viel Gegenwind gibt. Diese Menschen müssen unterstützt werden. Menschen, wie Lea-Sophie Gauglitz aus der FridaysforFuture Ortsgruppe in Plauen oder Jakob Oehler, der FridaysforFuture in Werdau gestartet hat und jetzt in Zwickau sehr vieles mit auf die Beine stellt, sind für mich also ein Vorbild.

Angefeindet werden, trotzdem gut gelaunt sein und umso kraftvoller weitermachen. Das ist in Plauen oder Werdau nicht einfach und das ist auch in Zwickau nicht einfach aber es ist möglich und enorm wichtig!

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

Wir haben immer noch uns – Feine Sahne Fischfilet

(Diesen Song findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?

Im Mittelmeer wird immer wieder sichtbar, was eine Politik der Abschottung und des Wegsehens kostet – Menschenleben. Dieses Thema ist für mich, gerade durch Menschen, die ich kenne und die auf Booten Menschen ertrinken sahen, sehr emotional und wichtig und steht für das dringend nötige internationale Handeln, welches aus mehr Zusammenarbeit und weniger Abschottung bestehen muss. Um das Leiden zu vermindern und das Entkriminalisieren von privater Seenotrettung zu fördern, würde ich die 5000€ also an eine Organisation, wie die Mission Lifeline spenden.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Ehrenmal am Schwanenteich, Zwickau

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