Sophie Sumburane

Vor der Buchmesse fragte ich Zoë, wer ihrer Meinung nach, noch interessant für das „Herzkampf“-Projekt sein könnte. Sie schickte mir den Namen von Sophie. Ich googelte ein wenig und fand dieses Video, was mich sehr erschütterte. Man denkt immer, wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft, merkt aber, dass viele in ihren Ansichten noch im Mittelalter verankert sind. Daher lest, was Sophie zu sagen hat. Eine empathische Frau, die jeden Tag mit Alltagsrassismus zu kämpfen hat:

Wo bist du aktiv und wofür engagierst du dich?

Ich engagiere mich ganz allgemein gesprochen gegen „rechts“ und Menschenfeindlichkeit. Ich finde es einfach nicht nachvollziehbar, egal, aus welchem Winkel oder in welchem Licht man es betrachtet, dass es irgendwie legitim sein soll, anderen Menschen ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. Andere abzulehnen oder gar zu hassen, weil sie anders aussehen, irgendwo geboren sind oder an Dinge glauben, an die man selbst nicht glaubt. Oder welchen Grund auch immer manch einer sich herbeikonstruiert, um andere zu diskreditieren. Und dafür engagiere ich mich zum einen „privat“, also ich als Person mit meinem eigenen Gesicht, auf meiner Homepage, mit meinen Texten, Artikeln, Posts und Tweets. Aber auch auf „institutioneller Ebene“, indem ich Mitglied in der Partei DIE LINKE geworden bin. Am aktivsten bin ich aber wohl in dem Bereich, den man gemeinhin als Literaturbetrieb bezeichnet. Beispielsweise für das Aktionsbündnis #verlagegegenrechts, welches u.a. auf den Buchmessen, vor allem in Leipzig, tolle Panels organisiert um statt immer zu mit Rechten zu reden, oder über sie zu reden, lieber eigene Themen zu setzen, selbst den Diskurs bestimmen, statt aus der Defensive heraus zu agieren.

Was sind deine Aufgaben?

Laut sein. Eloquent sein. Oft reicht schon einfach Da sein. Das scheint die Rechten in den Sozialen Netzwerken tierisch zu nerven. Dadurch sammle ich jede Menge Hassbotschaften, Vergewaltigungswünsche, Mordphantasien und ähnliches. Das strengt an, aber ich sehe es mittlerweile als meine Aufgabe an, präsent zu bleiben, den Mist zu sammeln, anzuzeigen und zu versuchen, herauszufinden, welche Wege es gäbe, diesen Hass im Netz, der leider auch immer mal wieder ins reale Leben übergeht, effektiv zu bekämpfen. (Anzeigen führen oft zu nichts). Denn ich möchte mich nicht aus einem Raum verdrängen lassen, der doch eigentlich ein freier Raum sein sollte. Vielmehr möchte ich Menschenfeinde aus sämtlichen Räumen hinaus drängen. Menschenfeindlichkeit ist keine Meinung und sollte nirgends von niemandem akzeptiert und dadurch normalisiert werden. Darauf hinzuweisen sehe ich als meine Aufgabe, auch wenn es zunehmend zu nerven scheint, das stört mich nicht.

Wofür kämpfst du?

Für eine Welt, ja WELT, in der ein jeder Mensch einfach genau das sein kann, was er sein möchte. Utopia, quasi. (Man muss große Ziele haben und das Extreme fordern, um ein Mindestmaß zu erreichen.) Im Grunde kämpfe ich aber vor allem für mich selbst und meine Familie, die stark und anhaltend von (Alltags-)Rassismus betroffen ist. Ich wünsche mir eigentlich einfach das, was sich jeder Elternteil für seine/ihre Kinder wünscht: ein unbeschwertes Aufwachsen können, ohne von zahlreichen Seiten auf Ablehnung zu stoßen und immer wieder darauf hingewiesen zu werden, dass man irgendwie anders ist. Vor allem, wenn das „Anders“ mit „Irgendwie falsch“ konnotiert ist.

Wann hat dein Kampf begonnen?

Viel zu spät eigentlich. Im September 2017, als die AfD in den Bundestag einzog, hab ich verstanden, dass die alltäglichen Rassismen nicht zu ignorieren sind. Abwinken und Weitermachen war lange meine Strategie, meinem Kind versichern, dass es wertvoll ist und die anderen halt irgendwie ignorant. Man kann auch nicht von jedem gemocht werden. Aber grundlos gehasst, das ist eben eine andere Hausnummer. Und das wurde mir klar, als eine offen rechte Partei sich auf die blauen Stühle setzen durfte. Das kann und will ich bis heute nicht akzeptieren und immer wenn ich höre, was dort von diesen Menschen für Dinge geäußert werden, wächst mein Interesse daran, dazu beizutragen, diese Fraktion nach den nächsten Wahlen stark verkleinert zu sehen.

Welches Ereignis hat dich am meisten geprägt?

Als mein Kind mir sagte, ein anderes Kind hätte zu ihr gesagt, sie wisse, warum sie so braun sei, so markiert man die besonders dummen Babies, indem man sie eine Weile in einem brennenden Kohlefass schmort. Da ist mir sprichwörtlich alles aus dem Gesicht gefallen. Ich hätte solche Dinge nicht für möglich gehalten. Was für Eltern erzählen ihren Kindern solche Dinge? Warum nur gibt es Menschen, die solche und andere Dinge verbreiten? Als ich solche Angriffe auf mich und meine Familie öffentlich gemacht habe, war die wohl häufigste Reaktion: Das ist ja furchtbar, aber das habe ich ja gar nicht gewusst! Nein, denn wer nicht selbst von solchem Hass betroffen ist, der sieht ihn auch nicht, oder kann ihn einfach ausblenden, ignorieren. Nicht politisch sein muss man sich halt auch leisten können.

Was würdest du an der aktuellen Situation ändern wollen?

Ich denke nicht, dass es Sinn macht, Parteien und Organisationen die Hass schüren und rechte Gedanken verbreiten, zu verbieten. Klar, das scheint erstmal ein Weg zu sein, gegen solche Dinge vorzugehen, doch die dahinter stehenden Gedanken und Ziele lassen sich halt nicht verbieten und schon am nächsten Tag, oder noch während des Verbotsverfahrens, gründen und organisieren sich neue Strukturen. Schön zu sehen am Beispiel der NPD, die während des Verbotsverfahrens unter anderem in die noch radikalere Organisation „Der dritte Weg“ überging. Von daher möchte ich natürlich ändern, dass es diese Parteien gibt, denn sie sind nicht demokratisch, sie bilden keinen Teil der Meinungsfreiheit ab, sondern sie wollen eben diese bekämpfen und abschaffen und sind in meinen Augen aus zahlreichen Gründen gefährlich. Doch der Weg dahin sollte sein, den Rechten die Räume zu nehmen. Sie durch Demokratisches zu besetzen. Jugendliche für Projekte zu begeistern, die demokratisch sind, (egal ob da jetzt ein linkes Weltbild dahinter steht oder ein liberales, konservatives, alles total gut, nur eben nicht menschenfeindlich) bevor Nazis kommen können und mit ihren Angeboten eine Leere füllen, die nicht da sein müsste. Das kostet Geld, aber ich bin der Überzeugung, das würde sich auszahlen. Man darf halt auch nicht immer an der falschen Stelle (Kultur, Bildung, Infrastruktur) auf den Taler gucken.

Welche Menschen / Einzelpersonen bewunderst du?

Ich bewundere die unermüdlichen Organisator*innen von #verlagegegenrechts, die sich neben ihren eigentlichen Tätigkeiten auf eine tolle Weise für das Füllen und positive Besetzen von Räumen engagieren. Ich bewundere im Grunde alle, die mit ihrer eigenen Identität für viele andere Identitäten einstehen und dafür immer wieder viel Hass auf sich nehmen. Es gibt da so viele Menschen, die jeden Tag im Großen wie im Kleinen unglaublich tolle Dinge vollbringen, wie Gabi Edler, die in Leipzig als Tante E. Straßenkindern eine Schulter zum Anlehnen und ein warmes Mittagessen bietet. Oder Manja Präkels, die mit ihrem Buch „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ durch vor allem Ostdeutschland reist und an Schulen und Jugendorganisationen tolle antirassistische Arbeit leistet.

Was ist dein aktuelles Lieblingslied?

„Alles Gute“ von Faber. Ein wunderschönes Video und die Message: du reibst dich solange für andere auf, bis du am Boden bist und merkst, wer du eigentlich bist und was dich glücklich macht und das es total schnuppe ist, ob dies auch das ist, was andere glücklich machen würde. Das ist nämlich egal, solange man mit dem eigenen Handeln niemanden grundlos verletzt.

(Diese Songs findet ihr in der „herzkampf“-Playlist bei Spotify)

Wenn ich dir 5000€ schenke und du müsstest das Geld spenden, wohin würdest du es aktuell spenden?


Aktuell würde ich es wohl einer Organisation spenden, die den Opfern des Sturms Idai in Mosambik, Malawi und Simbabwe hilft. Dieser Sturm ist „hier“ fast völlig unter dem Radar geblieben, dabei sind die Ausmaße der Zerstörung extrem. Eine Freundin sagte dazu den provokanten Satz: klar können wir darüber nicht berichten, wir lassen doch ständig Menschen im Mittelmeer ertrinken, da kann doch jetzt niemand plötzlich so tun, als fänden wir es traurig, dass da 1000 Menschen gestorben sind.

Provokativ, aber wohl ein Stückweit wahr. Darum würde dieses Geld wohl aktuell für mich dorthin gehen, um den Menschen beim Wiederaufbau ihrer Infrastruktur zu helfen, ihnen das Überleben zu sichern, da viele Landwirte ihre Ernte verloren haben. Einen Teil des Geldes würde ich aber wohl auch dem KulturBüro Sachsen spenden, weil dort genau die Arbeit geleistet wird, von der ich oben sprach.

Gibt es Links oder Texte wo man sich näher über dich oder deine Institution informieren kann?

Ort der Aufnahme: Albertina, Leipzig

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